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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Die Frage war eben nur: Was?
    Ein Motorengeräusch schreckte ihn auf und holte ihn in die unmittelbare Gegenwart zurück.
    Hinter ihm näherte sich ein Wagen auf dem Weg nach Shiloh.
    Kein Mensch ging in diesen Landstrichen zu Fuß. Die meisten, die ihn hier draußen sahen, würden vermuten, sein Wagen hätte gestreikt. Der eine oder andere würde sogar anhalten und fragen, ob er nicht mitfahren wolle.
    Priest grübelte über eine Begründung nach: Warum bin ich an einem Samstagmorgen um halb sieben zu Fuß nach Shiloh unterwegs?
    Ihm fiel keine Begründung ein.
    Er versuchte, alle denkbaren Götter anzurufen, die ihn dazu inspiriert haben mochten, Mario umzubringen, aber die schwiegen sich alle aus.
    Hinter ihm gab es auf einer Strecke von fünfzig Meilen nur eine einzige Stelle, von der er hätte herkommen können: die Müllhalde, wo ein ausgebrannter Pickup mit Marios Asche auf dem Sitz stand. Diesen Ort jedoch durfte er nicht einmal erwähnen.
    Der Wagen kam näher und fuhr langsamer.
    Priest kämpfte mit der Versuchung, sich einfach den Hut über die Augen zu ziehen.
    Was kann ich bloß getan haben?
Ich bin raus ins Gelände, um die Natur zu beobachten.
    Na klar, Beifußgebüsch und Klapperschlangen …
Mein Wagen hatte ‚ne Panne.
    Wo denn? Ich hab‘keinen Wagen gesehen …
    – Ich war nur kurz mal schiffen.
    So weit draußen?
    Trotz der kühlen Morgenluft geriet er ins Schwitzen.
    Langsam fuhr der Wagen an ihm vorbei. Es war ein neuer Dodge Neon mit metallic-grüner Lackierung und texanischen Kennzeichen, in dem nur der Fahrer saß. Priest konnte sehen, wie er ihn im Rückspiegel beobachtete und einzuschätzen versuchte. Womöglich ein Bulle außer Dienst?
    Wieder überkam ihn Panik, und er mußte den Impuls, einfach kehrtzumachen und davonzurennen, gewaltsam unterdrücken.
    Der Wagen hielt an und kam dann im Rückwärtsgang auf ihn zu. Der Fahrer ließ das Fenster auf Priests Seite herunter. Er war ein junger Mann asiatischer Herkunft und trug einen Geschäftsanzug.
    »He, Sie, Kamerad! Wollen Sie mitfahren?« sagte er.
    Was soll ich sagen? ›Nein danke, ich gehe gerne zu Fuß.‹
    »Ich bin ein bißchen dreckig«, sagte Priest und sah an seinen Jeans hinunter. Bin auf dem Arsch gelandet, als ich gerade wen umbringen wollte …
    »Wer ist das nicht, hier in dieser Gegend!«
    Priest stieg ein. Seine Hände zitterten. Nur um sie irgendwie zu beschäftigen und seine Nervosität zu verbergen, legte er den Sicherheitsgurt an.
    Der Fahrer fuhr an und fragte: »Sagen Sie mal, wie kommen Sie bloß darauf, hier rumzulatschen?«
    Erst jetzt, im letzten Augenblick, fiel Priest doch noch eine Geschichte ein. »Ich hatte Krach mit meiner Alten«, sagte er. »Ich hab‘ angehalten und bin raus. Daß sie einfach weiterfährt, konnte ich nicht riechen.« Im stillen dankte er allen Göttern, die ihm wieder einmal gerade noch rechtzeitig eine Eingebung geschickt hatten. Seine Hände hörten auf zu zittern.
    »Meinen Sie vielleicht so eine gutaussehende Dunkelhaarige in einem blauen Honda? An der bin ich vor fünfzehn, zwanzig Meilen vorbeigekommen.«
    Herrgott noch mal, was bist denn du für einer? ‚n Gedächtniskünstler oder was ?
    Der Typ lächelte und sagte: »Auf der Fahrt durch diese Wüste ist jeder Wagen interessant.«
    »Nein, das war sie nicht«, sagte Priest. »Meine Frau ist mit meinem Pickup unterwegs.«
    »Einen Pickup hab‘ ich nicht gesehen.«
    »Ein Glück. Vielleicht ist sie noch in der Nähe.«
    »Wahrscheinlich parkt sie irgendwo auf einem Feldweg, heult sich die Augen aus und wünscht sich, sie hätte Sie nicht stehen lassen.«
    Priest grinste vor Erleichterung. Der gute Mann kaufte ihm seine Geschichte ab.
    Der Wagen erreichte die Stadtgrenze. »Und Sie? Wieso sind Sie am Samstagmorgen schon so früh aus den Federn?«
    »Ich hatte keinen Krach mit meiner Frau, sondern bin auf dem Weg zu ihr. Ich wohne in Laredo. Bin Vertreter für Keramik-Artikel – Zierkacheln, Figurinen, Schildchen mit der Aufschrift ›Kinderzimmer‹ und so weiter, ganz nettes Zeug.«
    »Tatsächlich?« So kann man sein Leben auch vertun …
    »Unsere Hauptabnehmer sind Drugstores.«
    »Der in Shiloh hat wahrscheinlich noch nicht offen.«
    »Heute arbeite ich sowieso nicht. Aber ‚n Frühstück wäre nicht schlecht. Können Sie mir was empfehlen?«
    Priest hätte es lieber gesehen, der Vertreter wäre nonstop durch den Ort durchgefahren – ohne Gelegenheit, irgendwem von dem bärtigen Typen zu erzählen, den er da oben an

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