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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wurde. Er mußte diesem Gerede sofort ein Ende setzen. Er zog ein beleidigtes Gesicht und sagte: »Also, eines verspreche ich dir, Chew: Sollte ich jemals was über deine Privatangelegenheiten hören, vor allem über irgendwelche Peinlichkeiten dann posaune ich das nicht hier im Büro aus. Was meinst du dazu?«
    »Brauchst ja nicht gleich so empfindlich zu sein«, sagte Chew.
    Die anderen Männer wirkten betreten. Das Thema war für sie erledigt.
    Priest wollte keine schlechte Stimmung hinterlassen. Deshalb sagte er in das peinliche Schweigen hinein: »Schon gut, Chew, ich nehm‘s dir nicht weiter übel.«
    Chew zuckte mit den Schultern. »Wollte dich nicht beleidigen, Ricky.«
    Die gespannte Atmosphäre löste sich.
    Diana händigte Priest die Schlüssel für den seismischen Vibra-tor aus.
    Seine Faust schloß sich um das Bund. »Danke«, sagte er, bemüht, sich seine Hochstimmung nicht anmerken zu lassen. Er konnte es kaum erwarten, endlich hier herauszukommen und sich ans Steuer zu setzen. »Macht‘s gut, Leute!« sagte er. »Bis bald in New Mexico!«
    »Fahr vorsichtig, ja?« rief Diana ihm nach, als er schon an der Tür war.
    »Aber sicher doch!« erwiderte Priest. »Verlaß dich drauf!«
    Er trat hinaus ins Freie. Inzwischen war die Sonne aufgegangen, und es war schon merklich wärmer. Priest hätte am liebsten einen Siegestanz um den Laster herum vollführt – aber er widerstand der Versuchung, kletterte in die Fahrerkabine, startete den Motor und warf einen Blick auf Benzin- und Ölstandsanzeiger. Mario hatte am Vorabend offenbar aufgetankt. Der Laster war fahrbereit.
    Als er das Grundstück verließ, konnte er ein Grinsen nicht mehr unterdrücken.
    Er schaltete hoch, und bald lag die Stadt hinter ihm. Er hielt sich Richtung Norden, auf der gleichen Strecke, die Star mit dem Honda genommen hatte. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, als sich der Laster der Abzweigung zur Müllkippe näherte. Er stelltesich plötzlich vor, Mario stünde am Straßenrand und graue Gehirnmasse sickere aus dem Loch in seinem Kopf. Er wußte, daß es albern und abergläubisch war, konnte die Gedanken aber trotzdem nicht abschütteln. Ein Schwächeanfall überkam ihn, nur kurz, aber doch so heftig, daß er kaum noch fahren konnte. Dann riß er sich wieder zusammen.
    Mario war nicht der erste Mensch, den er getötet hatte.
    Jack Kassner, ein Bulle, hatte Priests Mutter beraubt.
    Priests Mutter war eine Nutte gewesen und hatte ihn bekommen, als sie dreizehn Jahre alt war. Zu der Zeit, da Ricky selbst gerade fünfzehn war, arbeitete seine Mutter mit drei anderen Frauen von einer Wohnung aus, die in der Seventh Street über einem schmuddeligen Buchladen in einem heruntergekommenen Vergnügungsviertel unweit der Innenstadt von Los Angeles lag. Jack Kassner war Inspektor bei der Sittenpolizei. Einmal monatlich tauchte er auf, um sein Schmiergeld zu kassieren. Bei dieser Gelegenheit ließ er sich gewöhnlich auch einen blasen – kostenfrei, versteht sich. Einmal hatte er Priests Mutter dabei beobachtet, wie sie das Schmiergeld aus einer Schatulle im Hinterzimmer holte.
    Noch in der gleichen Nacht wurde die Wohnung von der Sitte gefilzt, und Kassner stahl 1500 Dollar, was in den sechziger Jahren eine ganze Menge Geld war. Ein paar Tage im Knast machten Priests Mutter nichts aus, doch über den Verlust ihrer hart verdienten Ersparnisse war sie untröstlich. Für den Fall, daß die Frauen sich beschweren sollten, drohte Kassner ihnen mit einer Anzeige wegen Drogenhandels – und das bedeutete ein paar Jahre Bau.
    Kassner hatte geglaubt, von drei halbseidenen Mädchen und einem halbwüchsigen Jungen drohe ihm keine Gefahr. Doch schon am folgenden Abend – er stand in der Toilette der Blue-Light-Bar am Broadway und erleichterte seine biergefüllte Blase – rammte ihm der kleine Ricky Granger eine rasiermesserscharfe, fast zwanzig Zentimeter lange Messerklinge in den Rücken. Mühelos durchdrang sie sein Jackett aus schwarzem Mohair und das weiße Nylonhemd und bohrte sich in die Niere. Die Schmerzen waren so grauenhaft, daß Kassner nicht einmal mehr nach seiner Pistole greifen konnte. Er stürzte auf den feuchten Betonboden der Toilette und kotzte Blut. Ricky stach in rascher Folge noch mehrere Male auf ihn ein, spülte das Messer im Waschbecken ab und machte sich aus dem Staub.
    Wenn er an die Szene zurückdachte, staunte Priest noch heute über die kühle Selbstsicherheit des Fünfzehnjährigen. Das Ganze hatte allenfalls fünfzehn oder

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