Die Kinderhexe
Stift Haug zu einer neuen Brutstätte des Teufelsunwesens geworden war. Unter den Beschuldigten befanden sich Söhne aus wohlhabenden Familien, Faltermayer würde ihnen sein ganz besonderes Augenmerk widmen.
Er hatte einen neuen Brandtag ansetzen lassen, und als Erstes würde er die beiden Einzelzellen räumen lassen, in denen Felicitas Dornbusch und Kathi untergebracht waren.
Kathi lag, nur mit einem dünnen Nachthemd bekleidet, auf der Strohmatte. Sie hatte die nackten Beine angezogen und hielt sie mit den Armen fest umschlungen. In diesem Kellerraum war es dunkel, feucht und kühl. Nur wenn die Zellentür geöffnet wurde, fiel etwas Licht von den Fackeln herein. So wie jetzt, als ein Folterknecht hereinkam.
«Steh auf», herrschte er sie an. «Meister Faltermayer will dich sehen.»
Kathi öffnete die Augen. «Ich habe ihm doch schon alles gesagt, was ich weiß.»
«Du sollst auch nicht befragt werden.»
«Was will er dann von mir?»
Ein hämisches Grinsen machte sich auf seinem zahnlosen Mund breit. «Heute darfst du zusehen, was dich morgen erwartet. Nun komm schon, bevor ich dir Beine mache.»
Erschöpft und vor Kälte zitternd, stand sie auf und folgte ihm hinaus auf den Gang. Sie sah die Tür zur Zelle gegenüber offen stehen. Eigentlich war Felicitas Dornbusch darin untergebracht. Sie hatte sie in der vergangenen Nacht weinen und vor Schmerzen stöhnen hören. Dazwischen immer wieder Gebete.
Der Herr möge ihr Kraft geben, um die Marter zu überstehen.
Nun war sie fort, und Kathi fragte sich, was mit ihr passiert war.
In den nächsten Zellen vor dem Treppenaufgang waren die Kinder der Schwarzen Banden untergebracht. Jeweils zwei teilten sich eine Zelle. Irgendwann glaubte sie, Gelächter gehört zu haben. Der Gedanke daran war so widersinnig, dass Kathi begonnen hatte, an ihrem Gehör zu zweifeln. Hier unten lachte niemand, außer den Folterknechten und dem Teufel.
Mit jeder Stufe, die sie mit ihren nackten Füßen nahm, spürte sie die Feuchtigkeit und die Kälte weichen. Oben, in einem der vielen Gänge des Juliusspitals, fühlte es sich sogar warm an. Obwohl sie erst ein paar Tage hier war, konnte sie sich kaum erinnern, wann sie das letzte Mal ein solches Gefühl gehabt hatte.
Der Folterknecht führte sie zu einem Raum, in dem sie bisher noch nicht gewesen war. Als die Tür geöffnet wurde, sah sie Faltermayer an einem Tisch sitzen. Neben ihm der Malefizschreiber. Brot, Schinken und Wein standen vor ihnen. Allein dieser Anblick hätte genügt, um Kathi um den Verstand zu bringen. Sie schluckte trocken.
«Schaff sie dort rüber», sagte Faltermayer und zeigte auf eine Ecke, in der eine seltsame Apparatur stand. Sie sah aus wie ein Stuhl, war aber überzogen mit zahllosen Nägeln. An der Lehne war ein Lederband mit einer Schnalle angebracht. Sollte wirklich jemand auf diesem Ding festgeschnallt werden? Vermutlich, denn an den Stuhlbeinen klebte vertrocknetes Blut.
Von diesen Apparaturen gab es in diesem Raum mehrere. Sie waren so abenteuerlich geformt, dass es Kathi wunderte, wie ein menschlicher Geist so etwas überhaupt erdacht haben konnte. Doch als sie auf einer Leiter liegend einen nackten Frauenkörper erkannte, dessen Arme auf dem Rücken festgebunden und grotesk verrenkt waren, wusste sie, wo sie gelandet war: in Faltermayers Folterraum.
Ein Knecht mit einer glühenden Zange machte sich soeben daran, dem geschundenen Körper eine weitere Wunde zuzufügen. Das rote Eisen drang mit einem Zischen in das weiße Fleisch. Die Frau schrie nicht, wie es Kathi erwartet hatte, sondern stöhnte nur kurz auf, bis sich ihr Körper kraftlos wieder entspannte. Als sie dieses Stöhnen gehört hatte, wusste sie, um wen es sich handelte.
«Wie oft bist du zur Nacht auf den Friedhof gegangen und hast tote Kinder ausgegraben?», fragte der Malefizschreiber lustlos. Er musste die Frage schon mehrmals gestellt haben. Den Kopf auf eine Hand gestützt, während die andere einen Federkiel führte, blickte er hinüber zu Felicitas Dornbusch. Die Antwort blieb aus. Felicitas lag wie tot auf der Leiter. Wäre ihr nicht Blut über die Schenkel geflossen, Kathi hätte schwören mögen, dass kein Leben mehr in ihr sei.
Faltermayer spießte ein Stück Schinken mit dem Messer auf und führte es zum Mund. Dabei beobachtete er Kathi, wie sie auf die Folter reagierte.
Kathi spürte seinen Blick, wagte es aber nicht, ihn zu erwidern. Sie wusste, die Zeit der Drohungen lag hinter ihr. Hier und jetzt sollte sie mit
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