Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
der beziehungsrettenden Maßnahmen ist ja eher kurz: Viagra, getrennte Wohnungen, Geld oder Liebe. Völlig unterschätzt als Beziehungsretter ist hingegen der Pärchenurlaub. Im Sinne von: mit einem anderen Pärchen wegfahren. In unserem Fall waren das andere Pärchen Adolf und Eva (Namen von mir geändert). Die beiden schlugen Ramona und mich breit, gemeinsam nach Dänemark zu fahren, und zwar: im Winter. Es hieß, man könne dort »gemütlich« am Strand bummeln, »gemütlich« was kochen oder »gemütlich« in die Sauna gehen, die jedes dänische Ferienhaus habe. Das würde unserer angeschlagenen Beziehung guttun, hieß es. Pärchenurlaub ist wie Armdrücken. Es fängt als Spaß unter Freunden an, kostet dann viel Kraft, und immer ist einer der Verlierer. In diesem Fall ging die erste Runde nicht an uns.
Dänemark sieht aus wie Schweden in alten Kinderserien. Wäre Herr Karlsson vor uns hergeflogen, es hätte mich nicht gewundert. Man hat das Gefühl, Krebs, Krisen und Kriminalität sind verboten oder zumindest »gemütlich«. Das Ferienhaus roch nach altem Ofen und feuchten Wänden, aber was man in Ostdeutschland scheiße findet, ist in Dänemark natürlich »gemütlich«. Die Bude war innen und außen aus Holz. Das ist ein Sarg aber auch. Ich war also skeptisch.
Sofort ging es an den Strand. Ramona und ich sind keine »Outdoor People«. Outdoor People sind für mich Obdachlose. In Dänemark aber sind es Leute, die sich Fleecejacken kaufen, die ernsthaft »Soft Asylum« heißen. Adolf und Eva hatten beide so eine Jacke, in identischer Farbe und dazu passend natürlich auch Hosen, Schuhe und Mützen. Ramona und ich hatten nur identisch kalte Füße. Entsprechend hatten wir die Auseinandersetzung, wer Adolf und Eva mit in die Beziehung gebracht hatte.
Beim anschließenden Pizzamachen gab es die Diskussion mit den beiden, wie viel Tomatensauce nötig ist und ab wann einfach der Boden durchsuppt. Adolf und Eva beschwerten sich zudem, dass unsere Sardellen auf ihrer Hälfte lagen. Mit Champignons wurden nun Hälften markiert, als gelte es, die Grenze zu Polen neu zu definieren.
Der Backofen qualmte gegen den Holzofen im Wohnzimmer an, während die Menschen zum Rauchen natürlich nach draußen mussten. Dort warf ich Ramona vor, genauso viel Bier gekippt zu haben wie ich, so dass wir beide nicht mehr fahrtüchtig genug waren, um unfallfrei nach Hause zu kommen, während Ramona sagte, es sei ein historischer Fakt, dass Adolf und Eva zuerst meine Freunde gewesen seien. Mit einer Frau zu diskutieren wäre auch ein schöner Nebenjob für Sisyphus. Man kann ja auch Zitronen nicht dazu überreden, nicht sauer zu sein. Aber unsere »Freunde« griffen ein, bevor die Situation eskalierte. Mit der Pizza Oder-Neiße im Bauch ging es in die Sauna, um auch ja keine Gemütlichkeit auszulassen. Gemütlichkeit ist nämlich Stress.
Neunzig Grad sei nicht nur das Mindeste bei einer Erektion, sondern auch bei einer Sauna, sagte Adolf und machte einen Aufguss aus reinem Napalm. So kam es mir jedenfalls vor. Auch Ramona schwitzte und litt. Dann wurden die Würfel ausgepackt. Kniffel. Als mein Großvater so alt war wie ich, musste er beim Zweiten Weltkrieg mitmachen. Soldat spielen im Kaukasus. Ich spielte Kniffel in Dänemark, insofern ist zwar vieles besser geworden, aber nicht so viel, wie man meint. Große Straße, kleine Straße, Full House und ein Viererpasch ersetzen gemeinsam eine halbe Ostfront. Nur damals blieben die Frauen zu Hause. Hier nicht.
Im Bett hörten wir dann erschöpft zu, wie Adolf und Eva jenseits der Sperrholzwand im Marschrhythmus Sex hatten. Diese Nacht war dabei, in der Top 10 meiner beschissensten Nächte weit nach vorne zu kommen. Das fand Ramona auch. Wir teilten uns die letzte Bierdose und waren uns einig, sofort Sterbehilfe zu beantragen, sollten wir uns je gleiche Jacken kaufen, noch mal im Winter nach Dänemark wollen oder Adolf und Eva weiter zu unseren Freunden rechnen. Dann stellten wir fest, dass wir seit Ewigkeiten nicht mehr so sehr übereingestimmt hatten und dass die allerbeschissensten Nächten eben doch die waren, in denen wir allein waren, ohne den anderen. Für Paare und Klempner gilt: Es kommt immer drauf an, was man macht, wenn man Scheiße erlebt. Wir machten das Beste daraus. Es war regelrecht romantisch.
Am nächsten Tag erfand ich einen Notfall, wir mieteten einen Wagen und fuhren nach Hause. Dänemark ist jetzt für uns das, was die DDR für viele Ossis ist: Im Rückblick war’s
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