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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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Nachdem er beim Geschlechtsverkehr seinen fünften Orgasmus hatte, berichtete er, dass sein Penis massiv angeschwollen sei. Diese Schwellung sei nun noch nicht zurückgegangen, und er klagt über Probleme beim Wasserlassen.«
    Unter »Befund« vermerkte der Kollege: »Ödematös geschwollener Penis«. Als »Therapieempfehlung« notierte er: »Lokal kühlen, hochlagern«, und schrieb Cem Akyol für zwei Tage arbeitsunfähig.
    Ob sich die Arbeitsunfähigkeit auch auf Akyols Sexualleben erstrecke, fragte mich einer unserer Mitarbeiter. Diese nicht ganz ernst gemeinte Frage konnte ich ihm allerdings nicht beantworten.

Von Löwen, Müttern und Lügen
    Der eine Mann trug einen Bürstenhaarschnitt, der andere hatte eine Glatze. Beide waren Mitte dreißig und hatten die Statur und das Auftreten von Geldeintreibern aus dem Trash-TV. Eine bedrohliche Aura umgab sie. Doch als diensthabender Rechtsmediziner im Hamburger Institut für Rechtsmedizin musste ich mir ihr Anliegen anhören. Das war im Herbst 1999, und es war eine dieser Begegnungen, die man nicht mehr vergisst.
    »Wir sind Löwenmütter«, begann der Glatzköpfige die Unterredung. Seine Miene wurde noch düsterer, als er meinen erstaunten Blick bemerkte. »Sie haben doch bestimmt schon von unserem Verein gehört«, fuhr er fort. »Wir kämpfen gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern.«
    Warum der Verein »Löwenmütter« in Hamburg durch zwei Männer mit übermäßig entwickeltem Bizeps vertreten wurde, erklärte er nicht. Stattdessen erzählte er mir, dass sie zu mir gekommen seien, um einen dreijährigen Jungen namens Daniel vor seinem eigenen Vater zu retten. Daniels Eltern lebten getrennt, und der Junge verbringe jedes zweite Wochenende bei seinem Vater. Und jedes Mal wenn er am Sonntagabend zu seiner Mutter zurückkomme, sei sein Anus gerötet, die Analschleimhaut entzündet und geschwollen.
    »Sie glauben ja gar nicht, bei wie vielen Ärzten die Mutter mit dem Jungen schon war!«, fuhr die glatzköpfige »Löwenmutter« fort. »Immer montagvormittags nach einem solchen Besuchswochenende führt sie ihn einem Doktor vor. Aber bisher haben sich sämtliche Ärzte geweigert, die richtige Diagnose zu stellen. Dabei kann doch ein Blinder sehen, dass der Junge von seinem Vater vergewaltigt worden ist!«
    »Hier, schauen Sie selbst«, ergriff die zweite »Löwenmutter« das Wort. »Das ist der arme kleine Danny«, sagte der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt. Er zog einen Umschlag mit Fotografien hervor und legte ein rundes Dutzend Fotos wie eine Patience vor mir auf dem Tisch aus. »Der Junge ist eindeutig missbraucht worden. Das sehen Sie doch wohl auch so, Herr Doktor?«
    Beide starrten mich an, während ich die Bilder betrachtete. Sie zeigten einen etwa dreijährigen nackten Jungen in durchweg demütigenden Positionen. Das Kind war von vorne und hinten, mit gespreizten Beinen und in Hockstellung fotografiert geworden. Mit den Händen musste es seine Pobacken auseinanderziehen, um seinen Anus zu zeigen. Sein Gesichtsausdruck verriet überdeutlich, wie sehr diese Prozedur sein Schamgefühl verletzte.
    Ich schob die Bilder über den Tisch zu den »Löwenmüttern« zurück. »Ich stimme Ihnen zu«, sagte ich. »Der Junge ist eindeutig missbraucht worden. Ein Kind in dieser Weise zu fotografieren ist absolut unpassend und kommt in der Tat einer seelischen Vergewaltigung nahe.«
    Die beiden sahen mich finster an, doch ihre Einschüchterungsversuche machten mich nur noch wütender.
    »Vielleicht geht es Ihnen gar nicht um das Wohl dieses Kindes«, hielt ich ihnen vor. »Ich kenne Sie beide nicht. Vielleicht wollen Sie unter dem Deckmantel der Legalität Ihre kranken Fantasien ausleben. Macht Ihnen das Spaß, ein Kind so zu fotografieren?«
    Die »Löwenmütter« wurden nun auch wütend oder gaben sich zumindest empört. Unsere Unterredung wurde hitzig und lautstark.
    »Möglicherweise war das ja nicht Ihre Absicht«, sagte ich schließlich, als ich mich ein wenig beruhigt hatte. »Aber Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass Sie vollkommen unverhältnismäßig reagiert haben. Auf den bloßen Verdacht hin, dass der Vater dem Jungen etwas angetan haben könnte, haben Sie das Kind traumatisiert, indem Sie es so zur Schau gestellt und fotografiert haben!«
    Sie starrten mich immer noch finster an, hielten sich aber mit weiteren Drohungen und Beschimpfungen zurück.
    »Wenn der Junge wieder einmal mit verdächtigen Symptomen von einem Besuch bei seinem Vater zurückkommt«, fuhr

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