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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung immer noch deutlich zurückgeblieben ist.

    Währenddessen mahlen die Mühlen der Justiz beharrlich weiter. Unter der Federführung von Oberstaatsanwalt Peter Wandler ermittelt die Kripo nun wegen versuchten Mordes gegen Silke Appelt.
    Die Staatsanwaltschaft beauftragt die Forensische Psychiaterin Dr. Helene Lagny mit einem Fachgutachten zum psychischen Zustand von Silke Appelt. Die Sachverständige soll insbesondere darlegen, ob die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten zur Tatzeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung erheblich eingeschränkt oder möglicherweise sogar aufgehoben war.
    Die Gutachterin gelangt zu dem Schluss, dass Leons Mutter für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden kann. Daraufhin erhebt Oberstaatsanwalt Wandler Anklage gegen Silke Appelt wegen versuchten Mordes an ihrem Sohn Leon. Gleichzeitig fordert er ein rechtsmedizinisches Gutachten an. Und damit kommt das Institut für Rechtsmedizin der Charité ins Spiel.
    Viele Menschen glauben ja, dass wir Rechtsmediziner nur für die Untersuchung von Toten zuständig sind. Aber das trifft keineswegs zu. Die Arbeit mit lebendigen Individuen – die sogenannte Klinische Rechtsmedizin – nimmt an unserem Institut einen recht breiten Raum ein. Im Auftrag der Ermittlungsbehörden werden lebende bzw. überlebende Opfer von Gewaltdelikten untersucht – insbesondere Opfer von Kindesmisshandlung oder Vergewaltigung. Die Methoden, die wir bei toten Körpern einsetzen, um ein Tatgeschehen zu rekonstruieren, lassen sich grundsätzlich auch bei überlebenden Gewaltopfern anwenden. Und gerade wenn es sich um misshandelte kleine Kinder handelt, die ja noch nicht selbst schildern können, was ihnen angetan wurde, sind die Befunde der Klinischen Rechtsmedizin oftmals von entscheidender Bedeutung.

    Meine Mitarbeiterin Dr. Saskia Guddat ist auf die Begutachtung misshandelter und missbrauchter Kinder spezialisiert. Auch im Fall Leon Appelt erstellt sie zusammen mit mir das rechtsmedizinische Gutachten, das die Staatsanwaltschaft mit dem Vermerk »Eilt sehr!« bei uns angefordert hat. Bis dahin hat die Beschuldigte kein förmliches Geständnis abgelegt. Die Staatsanwaltschaft muss sich also auf einen reinen Indizienprozess einstellen – und so kommt dem rechtsmedizinischen Gutachten für die Überführung der Angeklagten eine Schlüsselrolle zu.
    Die staatsanwaltliche Fragestellung lautet: »Ergeben sich aus den Krankenunterlagen des Kindes Anhaltspunkte für ein (vorsätzliches) Fremdverschulden? Wenn ja, gegen wen richtet sich aus dortiger Sicht der Verdacht? Kann aus den einzelnen Blutvergiftungen auf konkrete Zeitpunkte oder zumindest Zeiträume geschlossen werden, an bzw. in welchen dem Kind Darmbakterien injiziert worden sind? Könnten die Blutvergiftungen auf mangelnde Hygiene des Krankenhauspersonals oder im Krankenzimmer zurückzuführen sein?«
    Bei unserem Gutachten stützen wir uns auf die staatsanwaltliche Ermittlungsakte und auf die Krankenakte der Klinik. Außerdem nimmt Dr. Guddat als federführende Gutachterin Kontakt mit Kriminaloberkommissarin Sabine Drillich auf und fordert die Ergebnisse der laborchemischen Untersuchungen an. Zusätzlich regen wir eine molekulargenetische Analyse – also die Erstellung eines DNA-Profils – des Inhalts der Einwegspritzen an, die Anfang November in Silke Appelts Waschtasche aufgefunden wurden.
    Die Antworten in unserem Gutachten decken sich in allen wesentlichen Punkten mit den Vermutungen der Klinikärzte. Eine endogene, also aus dem Innern des kleinen Patientenkörpers stammende Ursache der Blutvergiftungen und Fieberschübe ist mit Sicherheit auszuschließen. Damit kommt einzig eine Fremdeinwirkung als Ursache in Betracht. Aber auch auf Hygienemängel in der Klinik lässt sich die Vergiftung mit wechselnden Bakterienspezies keineswegs zurückführen.
    Auffällig ist dagegen, dass es sich bei den Darmkeimen in den Einwegspritzen teilweise um die gleichen Bakterien handelt, die im Blut des Jungen nachgewiesen wurden. Der Inhalt der Spritzen weist zudem dieselbe DNA auf wie die Speichelprobe von Silke Appelt. Ebenso auffällig ist, dass sich die Mutter jedes Mal an den Tagen vor einem Fieberschub im Rahmen des Rooming-in um ihren Sohn gekümmert hat. Dagegen waren die Blutproben, die Leon während seiner Aufenthalte auf der Intensivstation entnommen wurden, ausnahmslos frei von Darmkeimen.
    Wann genau die Fäkalbakterien

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