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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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setzte sich auf das Bett neben seinem offenen Koffer. Aus einem Augenwinkel bemerkte ich den eckigen Griff eines automatischen Revolvers, der unter einem Paar schlecht gefalteter Unterhosen hervorlugte.
    »Dieser Quest ist schon vor zehn Tagen hier ausgezogen«, sagte der Mann nachdenklich. »Und der meint, das Zimmer sei leer, was?«
    »Nach dem Meldebuch ist es leer«, sagte ich.
    Er machte ein verächtliches Geräusch. »Der Saufbold da unten hat das Buch sicher schon einen Monat nicht mehr angeschaut. Oh - Moment mal.« Sein Blick schärfte sich, seine Hand bewegte sich nachlässig über den offenen Koffer und versetzte irgendeinem unwichtigen Ding in der Nähe des Revolvers einen kleinen Stoß. Als die Hand weiterwanderte, war der Revolver nicht mehr zu sehen.
    »Ich muß wohl den ganzen Morgen ein bißchen gedöst haben, sonst wäre ich schlauer gewesen«, sagte er. »Sie sind ein Bulle.«
    »Ganz recht. Sagen wir, ich bin ein Bulle.«
    »Wo fehlt's denn?«
    »Nirgendwo fehlt's. Ich wollte bloß wissen, warum Sie das Zimmer haben.«
    »Ich bin herübergezogen, von Nummer 215 gegenüber. Das Zimmer hier ist besser.
    Weiter nichts. Einfach. Zufrieden?«
    »Vollkommen«, sagte ich und beobachtete die Hand, die die Kanone erreichen konnte, wann sie wollte.
    »Was für ein Bulle? Städtisch? Zeigen Sie mal die Marke.«
    Ich sagte nichts.
    »Ich glaub nicht, daß Sie keine Marke haben.«
    »Wenn ich Sie Ihnen zeige, sagen Sie, sie ist gefälscht - so ein Typ sind Sie. Also Sie sind Hicks.«
    Er sah überrascht aus.
    »George W. Hicks«, sagte ich. »Steht im Meldebuch. Zimmer 215. Sie haben mir doch grade erzählt, daß Sie von 215 rübergezogen sind.« Ich blickte im Zimmer umher.
    »Wenn Sie eine Tafel hätten, würde ich's Ihnen hinschreiben.«
    »Eigentlich brauchen wir uns hier nicht um die Wette anzupöbeln«, sagte er. »Klar, ich bin Hicks. Sehr erfreut. Und Ihr werter Name?«
    Er streckte seine Hand aus. Ich schüttelte seine Hand - aber nicht grade so, als ob ich mich nach diesem Moment gesehnt hätte. »Ich heiße Marlowe«, sagte ich, »Philip Marlowe. «
    »Wissen Sie was?« sagte Hicks höflich. »Sie sind ein verdammter Lügner. «
    Ich lachte ihm ins Gesicht.
    »Mit dieser forschen Masche kommen Sie nicht weit, mein junge. In wessen Auftrag sind Sie hier?«
    Ich zog meine Brieftasche heraus und gab ihm eine von meinen Geschäftskarten. Er las sie nachdenklich und klopfte mit der Kante an seine Porzellankrone.
    »Er hätt sich können dünnemachen und mir keinen Ton sagen«, sagte er grüblerisch.
    »Sie führen so eine lockere Rede, wie Ihre Perücke locker ist.«
    »Lassen Sie das mit der Perücke, sonst verbrennen Sie sich den Mund.«
    »Ich wollte sie nicht essen«, sagte ich. »So hungrig bin ich nicht.«
    Er machte einen Schritt auf mich zu, seine rechte Schulter hing schräg. Fast ebenso tief hing die Lippe von seinem wutverzerrten Mund.
    »Hauen Sie mich nicht. Ich bin versichert«, sagte ich zu ihm.
    »Ach, verdammt. Wieder so ein Spinner.« Er zuckte mit den Achseln und nahm seine Lippe wieder rauf in sein Gesicht. »Was wollen Sie denn?«
    »Ich muß diesen Orrin P. Quest finden«, sagte ich.
    »Warum?«
    Ich gab keine Antwort.
    Nach einem Augenblick sagte er: »Na schön. Ich bin auch ein vorsichtiger Mensch.
    Deshalb ziehe ich ja weg.«
    »Vielleicht mögen Sie den Hasch-Geruch nicht.«
    »Das auch«, Sagte er tonlos. »Auch andere Sachen nicht. Deshalb ist Quest fort.
    Anständiger Kerl. Wie ich. Ich glaube, da haben ihm ein paar hartgesottene Burschen Angst gemacht.«
    »Soso«, sagte ich. »Deshalb hat er keine neue Adresse hinterlassen. Und warum haben die ihm Angst gerbacht?«
    »Sie haben doch grade von dem Hasch-Geruch geredet, oder? Er wäre doch der Typ, der damit zur Polizei geht, glauben Sie nicht?«
    »In Bay City?« fragte ich. »Wozu die Mühe. - Na ja, jedenfalls vielen Dank, Mr. Hicks.
    Geht's weit weg?«
    »Nicht weit«, sagte er. »Nein. Nicht sehr weit. Gerade weit genug.«
    »Was ist denn Ihre Masche?« fragte ich ihn.
    »Masche?« Er schien gekränkt.
    »Na ja. Wem klopfen Sie auf die Tasche, mein ich. Wo machen Sie Ihren Schnitt?«
    »Sie irren sich, Mann. Ich bin ein pensionierter Optiker.«
    »Haben Sie dazu die 0.45er da drin?« Ich zeigte auf den Koffer.
    »Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf darüber«, sagte er griesgrämig. »Die ist seit Jahren in der Familie.« Er betrachtete noch einmal meine Karte. »Privatdetektiv, was?«
    sagte er nachdenklich. »Was für

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