Die kleine Schwester
wie Sie von dem glatten Pflaster runterkommen, wo Sie sich sehr weh tun könnten.
Wogegen, wenn Sie überhaupt von jedem Pflaster wegbleiben, sind Sie fein raus und Geld kommt rein.«
»Wer ist die Blondine?« fragte ich.
Er dachte drüber nach und nickte. »Vielleicht sind Sie schon zu tief drin«, seufzte er.
»Vielleicht ist's schon zu spät, um ein Geschäft zu machen.«
Nach einem Augenblick beugte er sich vor und sagte sanft: »Also gut. Ich frag noch mal nach bei meinem Brötchengeber, wie weit ich gehen kann. Vielleicht können wir noch immer ein Geschäft machen. Das Angebot bleibt bestehen, bis Sie wieder was von mir hören. Klar?«
Ich war einverstanden. Ich nickte. Er stützte sich mit den Händen auf den Schreibtisch und stand langsam auf, wobei er das Schießeisen beobachtete, das ich auf der Löschunterlage hin und her schob.
»Behalten Sie das Geld«, sagte er. »Los, Alfred.« Er drehte sich um und ging mit festen Schritten aus dem Büro.
Alfreds Augen verdrehten sich, sie folgten ihm; dann machte er einen Satz zum Geld hin. Die große Automatische erschien in seiner Hand, ebenso wunderbar wie vorher.
Pfeilschnell wie ein Aal war er am Schreibtisch. Er hielt den Revolver auf mich gerichtet und nahm das Geld mit der linken Hand. Es verschwand in seiner Tasche. Er grinste mir zu, ein glattes, sanftes, leeres Grinsen, nickte und entfernte sich, wobei er anscheinend gar nicht wahrgenommen hatte, daß ich ebenfalls einen Revolver hielt.
»Komm endlich, Alfred«, rief der dicke Mann von draußen. Alfred schlüpfte durch die Tür, und weg war er.
Die äußere Tür öffnete sich und schloß sich. Schritte gingen den Flur entlang. Dann Stille. Ich saß da und dachte darüber nach und konnte mir nicht darüber klar werden, ob es die reine Idiotie war, oder eine neue Art, jemanden das Fürchten zu lehren.
Fünf Minuten später klingelte das Telefon.
Eine fette, freundliche Stimme sagte: »Übrigens, Mr. Marlowe, Sie kennen sicher Sherry Ballou, nicht wahr?«
»Nee.«
»Sheridan Ballou, die Firma. Den großen Agenten. Sollten Sie gelegentlich mal aufsuchen.«
Ich hielt das Telefon einen Moment, schweigend. Dann sagte ich: » Ist er ihr Agent?«
»Vielleicht«, sagte Joseph P. Quaddel und unterbrach sich kurz. »Sie wissen doch genau, daß wir nur kleine Fische sind, Mr. Marlowe. Sonst nichts. Nur ein paar ganz kleine Fische. jemand wollte ein bißchen was über Sie erfahren. Und so schien es am leichtesten zu gehen. Aber anscheinend ging es nicht.«
Ich antwortete nicht. Er legte auf. Fast im gleichen Moment klingelte das Telefon wieder. Eine verführerische Stimme sagte »Sie mögen mich wohl nicht, was, Amigo?«
»Doch. Aber bohren Sie nicht dauernd.«
»Ich bin zu Hause im Chateau Bercy. Ich bin einsam.«
»Rufen Sie einen Hostessendienst an.«
»Ach bitte. So redet man doch nicht. Es geht um was Wichtiges.«
»Glaub ich gern. Aber nicht wichtig für mich.«
»Diese Schlampe - was sagt sie über mich?« zischte sie.
»Nichts. Vielleicht hat sie Sie eine Tijuana-Schnepfe in Reithosen genannt. Stört es Sie?«
Das belustigte sie. Das Silberkichern hielt eine Weile an. »Sie immer mit Ihren Sprüchen. Stimmt doch, ja? Aber wissen Sie, vorher habe ich nicht gewußt, daß Sie ein Detektiv sind. Dadurch wird alles anders.«
Ich hätte ihr sagen können, daß es nichts änderte. Ich sagte: »Miss Gonzales, Sie haben von etwas Wichtigem gesprochen. Worum geht's denn da? Wenn es kein Trick ist.«
»Wollen Sie einen großen Haufen Geld verdienen? Einen Riesenhaufen Geld?«
»Meinen Sie jetzt - ohne erschossen zu werden?«
Durch den Draht hörte man ihren angehaltenen Atem. »Si«, sagte sie nachdenklich.
»Das muß man auch überlegen. Aber Sie sind so mutig, so groß, so ... «
»Ich bin um neun Uhr morgens in meinem Büro, Miss Gonzales. Ich bin dann wesentlich mutiger. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen ... «
»Haben Sie ein Rendezvous? Ist sie hübsch? Hübscher als ich?«
» Zum Donnerwetter«, sagte ich. »Denken Sie nie an was anderes als das?«
»Geh zum Teufel, mein Schatz«, sagte sie und hängte einfach ab.
Ich knipste die Lichter aus und ging. Etwas weiter vorn im Flur stieß ich auf einen Mann, der auf die Nummern an den Türen blickte. Er hatte einen Eilbrief in der Hand. Ich mußte also ins Büro zurückgehen und den Brief ins Safe schließen. Das Telefon klingelte wieder, während ich das machte.
Ich ließ es klingeln. Mir reichte es für einen Tag. Es war mir
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