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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Fingergymnastik.
    »Wozu das?« fragte ihn Beifus.
    »Ich muß mir manchmal meine Nägel knabbern«, sagte Maglashan.
    »Komisch. Ich knabbere immer nur an der rechten Hand.« Er hob seine trägen Augen, um mich anzustarren. »Manche Leute sind freiwilliger als andere«, sagte er lässig. »Es heißt, sie machen es mit den Nieren. Andere Burschen habe ich gesehen, die waren nicht so freiwillig, aber nachdem sie freiwillig geworden waren, mußten sie alle viertel Stunde aufs Klo. Konnten anscheinend ihr Wasser nicht halten.«
    »Kaum zu glauben«, sagte Beifus staunend.
    »Ferner gibt's die Typen, die nur noch rauh flüstern können, wenn sie reden«, fuhr Maglashan fort. »So wie Boxer, die groggy sind, weil sie zuviel mit dem Hals abgeblockt haben.«
    Maglashan sah mich an. Offenbar war ich dran.
    »Und außerdem gibt's noch den Typ, der überhaupt nicht zum Klo geht«, sagte ich.
    »Die sind einfach zu eifrig. Sitzen dreißig Stunden ununterbrochen auf der Brille. Dann fallen sie runter, und die Milz reißt oder die Galle schlägt leck. Sie sind übereifrig. Und nach den Schnellverhandlungen frühmorgens, wenn die Zellen sich geleert haben, findet man sie tot in einer dunklen Ecke. Vielleicht hätten sie einen Doktor gebraucht, aber man kann schließlich nicht an alles denken, stimmt's, Leutnant?«
    »Wir denken ziemlich scharf in Bay City«, sagte er. »Wenn wir was zum Denken kriegen.«
    An den Winkeln seines Kinns waren harte Muskelknoten. Ganz hinten in seinen Augen war ein rötlicher Schein.
    »Ich könnte wundervoll mit Ihnen arbeiten«, sagte er. »Einfach wundervoll.«
    »Bestimmt, das glaube ich auch, Leutnant. Ich habe mich in Bay City immer so wohl gefühlt - solange ich bei Bewußtsein war.«
    »Ich würde Sie schon bei Bewußtsein halten, Freundchen. Lange. Würde ich besonders drauf achten. Höchstpersönlich.«
    Christy French drehte langsam seinen Kopf und gähnte. »Wovon werden die Polypen in Bay City nur so scharf?« fragte er. »Legen Sie Ihre Nüsse in Salzwasser ein oder was?«
    Beifus streckte seine Zunge vor, so daß die Spitze sichtbar wurde, und ließ sie über die Lippen laufen.
    »Wir sind immer scharf gewesen«, sagte Maglashan, ohne hinzusehen. »Wir sind gerne scharf. Solche Wichte wie dieser Typ hier kommen uns grade recht dafür. « Er wandte sich wieder zu mir. »Also Sie sind das Schätzchen, das wegen Clausen angerufen hat.
    Sie sind recht geschickt mit so einem Münztelefon, was, Liebling?«
    Ich sagte kein Wort.
    »Ich rede mit Ihnen, Schätzchen«, sagte Maglashan. »Ich hab Sie was gefragt, Schätzchen. Und wenn ich was frage, krieg ich 'ne Antwort. Verstanden, Schätzchen?«
    »Reden Sie nur so weiter, dann geben Sie sich selber die Antwort«, sagte Christy French. »Und vielleicht gefällt Ihnen dann die Antwort nicht, und vielleicht sind Sie dann so scharf, daß Sie sich mit diesem Handschuh k. o. schlagen müssen. Bloß, damit man's glaubt.«
    Maglashan setzte sich steif auf. Auf seinen Wangen glühten rote Flecken so groß wie Fünfzig-Cent-Stücke.
    »Ich komme hierher und will Unterstützung«, sagte er langsam zu French. »Die große Abreibung kann ich zu Hause kriegen. Von meiner Frau. Es paßt mir nicht, daß irgendwelche Klugschnacker mich hier herunterputzen.«
    »Sie kriegen Ihre Unterstützung«, sagte French. »Bloß ziehen Sie nicht diese billige Kinoschau hier ab.« Er drehte sich auf seinem Stuhl und sah mich an. »Also, nehmen wir mal ein neues Blatt Papier, und spielen wir noch mal den Anfang der Untersuchung.
    Ihre Argumente kenne ich alle. Ich bin hier nicht der Richter. Die Frage ist einfach, wollen Sie jetzt reden, oder wollen Sie als Kronzeuge festgenagelt werden?«
    »Fragen Sie«, sagte ich. »Wenn die Antworten Ihnen nicht gefallen, können Sie immer noch das mit dem Kronzeugen machen. Und wenn Sie das machen, dann muß ich erst mal telefonieren.«
    »Richtig«, sagte French. »Wenn wir das machen. Aber das brauchen wir nicht. Wir können auch ein Dauerverhör machen. Es kann zehn Tage dauern.«
    »Zu essen gibt's Corned Beef in Dosen«, warf Beifus fröhlich ein.
    »Genaugenommen: legal wäre das nicht«, sagte French. »Aber wir machen das immer so. Genauso, wie Sie auch ein paar Sachen machen, die Sie vielleicht besser nicht gemacht hätten. Oder wollen Sie behaupten, daß Sie immer legal gewesen sind? «
    »Nein.«
    Maglashan gab ein inbrünstiges »Ha!« von sich.
    Ich sah hinüber zu der orangeroten Fee, die wieder vor ihrem Stenoblock saß,

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