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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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schweigsam und gleichgültig.
    »Sie haben einen Klienten, den Sie schützen müssen«, sagte French.
    »Vielleicht.«
    »Das heißt, Sie hatten einen Klienten. Eine Klientin. Sie hat Sie verpfiffen.«
    Ich sagte nichts.
    »Heißt Orfamay Quest«, sagte French und beobachtete mich.
    »Stellen Sie Ihre Fragen«, sagte ich.
    »Was war in der Idaho Street los?«
    »Ich bin hingefahren, um ihren Bruder zu suchen. Sie sagte, er sei weggezogen, und sie war hierhergekommen, um ihn zu besuchen. Sie war beunruhigt. Der Verwalter, Clausen, war zu besoffen, um vernünftig zu reden. Ich sah ins Meldebuch und stellte fest, daß jemand anderer in das Zimmer von Quest gezogen war. Ich redete mit dem Mann. Er erzählte mir nichts, was ich brauchen konnte.«
    French griff nach hinten, nahm einen Bleistift vom Schreibtisch und klopfte damit an seine Zähne. »Haben Sie den Mann noch mal wieder gesehen?«
    »Ja. Ich habe ihm gesagt, wer ich wäre. Als ich wieder die Treppe runterkam, war Clausen tot. Und jemand hatte eine Seite aus dem Meldebuch gerissen. Die Seite mit Quests Namen drauf. Ich rief die Polizei an.«
    »Aber dort geblieben sind Sie nicht?«
    »Ich wußte nichts über Clausens Ermordung.«
    »Aber Sie sind nicht dageblieben«, wiederholte French. Maglashan produzierte ein wildes Geräusch mit seiner Kehle und warf den Zimmermannsbleistift durchs ganze Zimmer. Ich sah zu, wie er gegen die Wand prallte und auf den Boden und liegen blieb.
    »Das ist richtig«, sagte ich.
    »In Bay City«, sagte Maglashan, »könnten wir Sie dafür umbringen.«
    »In Bay City könnten Sie mich umbringen, weil ich einen blauen Schlips trage«, sagte ich.
    Er wollte aufstehen. Beifus sah ihn von der Seite an und sagte: »Lassen Sie das Christy machen. Es gibt immer noch eine zweite Vorstellung.«
    French ließ sich nicht stören. »Wir können Sie dafür ruinieren«, sagte er.
    »Betrachten Sie mich als ruiniert«, sagte ich. »Ich habe dieses Geschäft sowieso nie gemocht.«
    »Also, dann kamen Sie zurück in Ihr Büro. Was weiter?«
    »Ich habe meinem Klienten berichtet. Danach rief mich einer an und bat mich, ins Van Nuys Hotel zu kommen. Es war derselbe Kerl, mit dem ich in der Idaho Street geredet hatte, aber unter anderem Namen.«
    »Das hätten Sie uns mal erzählen können.«
    »Wenn ich das erzählt hätte, dann hätte ich alles erzählen müssen. Damit hätte ich gegen die Bedingungen verstoßen, unter denen ich engagiert war.«
    French nickte und beklopfte sich mit dem Bleistift. Er sagte langsam: »Durch einen Mord werden solche Bedingungen ungültig. Durch zwei Morde werden sie zweimal ungültig. Durch zwei Morde mit der gleichen Methode - dreimal. Es sieht nicht gut für Sie aus, Marlowe. Gar nicht gut.«
    »Ich sehe noch nicht mal für meinen Klienten gut aus«, sagte ich. »Nach dem, was heute war.«
    »Was war denn heute?«
    »Sie erzählte mir, ihr Bruder hätte sie von dem Haus dieses Arztes angerufen. Dr.
    Lagardie. Der Bruder sei in Gefahr. Ich sollte schnell hinfahren und ihm helfen. Ich fuhr schnell hin. Dr. Lagardie und seine Sprechstundenhilfe hatten zugemacht. Sie wirkten verängstigt. Die Polizei war dort gewesen.« Ich sah Maglashan an.
    »Wieder einer von seinen Anrufen«, knurrte Maglashan.
    »Diesmal war ich's nicht«, sagte ich.
    »Also gut. Weiter«, sagte French, nach einem Moment.
    »Lagardie bestritt, irgendwas über Orrin Quest zu wissen. Er schickte sein Mädchen nach Hause. Dann steckte er mir eine vergiftete Zigarette zu, und ich war eine Zeitlang weg. Als ich zu mir kam, war ich allein im Haus. Auf einmal war ich nicht mehr allein.
    Orrin Quest, oder was von ihm übrig war, kratzte an der Tür. Er fiel um, als ich sie aufmachte. Mit der letzten Kraft versuchte er, mich mit dem Eisdorn zu stechen.« Ich wackelte mit den Schultern. Dazwischen war es noch ein bißchen steif und tat weh, aber sonst nichts.
    French warf einen scharfen Blick auf Maglashan. Maglashan schüttelte den Kopf, aber French sah ihn weiter an. Beifus fing leise an zu pfeifen. Erst konnte ich die Melodie nicht erkennen, dann erkannte ich sie. Es war >Der alte Moses 's tot<.
    French wandte seinen Kopf und sagte langsam: »Es ist kein Eisdorn bei der Leiche gefunden worden.«
    »Ich hab ihn liegen gelassen, wo er lag«, sagte ich.
    Maglashan sagte: »Sieht so aus, als ob ich mal wieder den Handschuh anziehen muß.«
    Er strammte ihn zwischen den Fingern. »Irgendwer ist hier ein verdammter Lügner, und ich bin's nicht.«
    »Schon gut«,

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