Die Klinge der Träume
beiden Händen umklammert hielt. Sie unternahm keine Anstalten, es abzunehmen, hielt sich einfach nur mit weiß angelaufenen Knöcheln daran fest. Das schmale Gesicht der Roten war ein Bild der Verzweiflung, in ihren starren Augen lag ein gequälter Blick. Joline hatte die unerschütterliche Ruhe einer Aes Sedai zurückerlangt, aber sie berührte den aus Segmenten bestehenden Kragen um ihren Hals.
»Wenn Ihr glaubt, Ihr könnt das tun«, begann sie und verstummte abrupt, ihre Lippen wurden schmal. Ein wütendes Flackern lag in ihren Augen.
»Du musst wissen, das Aʹdam kann zur Strafe benutzt werden, auch wenn das nur selten geschieht«, sagte Tuon, und sie trug den Armreif eines Aʹdam an jedem Handgelenk, die funkelnden Leinen schlängelten sich unter die Decken auf den Betten. Wie beim Licht hatte sie es geschafft, sie in die Finger zu bekommen?
»Nein«, sagte Mat. »Ihr habt versprochen, meine Anhänger nicht anzurühren, mein Juwel.« Vielleicht nicht das Klügste, diesen Namen jetzt zu benutzen, aber es war zu spät, ihn wieder zurückzunehmen. »Bis jetzt habt Ihr Eure Versprechen gehalten. Brecht jetzt keines.«
»Ich habe versprochen, keinen Unfrieden unter deinen Anhängern zu stiften, Spielzeug«, sagte sie schnippisch, »davon abgesehen ist es eindeutig, dass diese drei nicht zu deinen Anhängern gehören.« Die kleine Schiebetür, die dazu benutzt wurde, um mit dem Kutscher zu sprechen oder Essen durchzureichen, wurde mit einem lauten Knall aufgeschoben. Tuon warf einen Blick über die Schulter, und sie knallte noch lauter wieder zu. Draußen fluchte ein Mann und fing an, gegen die Tür zu pochen.
»Das Aʹdam kann auch dazu benutzt werden, Vergnügen zu schenken, als große Belohnung«, erklärte Tuon Joline und ignorierte die hämmernde Faust hinter ihr.
Jolines Lippen öffneten sich, sie riss die Augen weit auf. Sie schwankte, und der von Seilen gehaltene Tisch schwankte, als sie mit beiden Händen einen Sturz vermied. Falls sie jedoch beeindruckt war, verbarg sie es gut. Sobald sie wieder aufrecht stand, glättete sie die dunkelgrauen Röcke, aber das musste nichts bedeuten. Ihr Gesicht war die personifizierte Aes Sedai-Beherrschung. Edesina, die über die Schulter sah, hatte den gleichen beherrschten Blick, obwohl sie nun das dritte Aʹdam um den Hals trug - und genau genommen war sie blasser als sonst -, aber Teslyn hatte angefangen, stumm und mit bebenden Schultern zu weinen, die Tränen strömten ihr die Wangen herunter.
Noal saß angespannt da, ein Mann, der bereit war, etwas Dummes zu tun. Mat versetzte ihm unter dem Tisch einen Tritt, und als Noal ihn anstarrte, schüttelte er den Kopf. Noals Miene wurde noch finsterer, aber er zog die Hand aus dem Mantel und lehnte sich an die Wand. Noch immer finster blickend. Nun, sollte er. Messer waren hier nutzlos, Worte vielleicht nicht. Es war viel besser, wenn man das mit Worten zu einem Ende bringen konnte.
»Hört zu«, sagte Mat zu Tuon. »Wenn Ihr nachdenkt, werdet Ihr hundert Gründe erkennen, warum das nicht funktionieren wird. Beim Licht, Ihr könnt selbst lernen, wie man die Macht lenkt. Ändert dieses Wissen nicht alles? Ihr seid nicht so viel anders als sie.« Der Aufmerksamkeit nach zu urteilen, die sie ihm schenkte, hätte er sich genauso gut in Rauch aufgelöst haben können.
»Versuche, Saidar zu umarmen«, sagte sie und blickte Joline streng an. Verglichen mit ihrem Blick klang ihre Stimme verhältnismäßig sanft, aber sie erwartete offensichtlich Gehorsam. Gehorsam? Sie sah aus wie eine verdammte Leopardin, die drei angebundene Ziegen anstarrte. Und seltsamerweise schöner als je zuvor. Eine wunderschöne Leopardin, die ihn möglicherweise genauso schnell mit den Krallen zerfetzen würde wie die Ziegen. Nun, er hatte sich schon öfters Leoparden entgegengestellt, und das waren seine eigenen Erinnerungen. Die Konfrontation mit einem Leopard brachte eine seltsame Art von Aufregung mit sich. »Mach schon«, fuhr sie fort. »Du weißt, dass die Abschirmung fort ist.« Joline gab ein überraschtes Grunzen von sich, und Tuon nickte. »Gut. Du hast das erste Mal gehorcht. Und gelernt, dass du die Macht nicht berühren kannst, während du das Aʹdam trägst, es sei denn, ich wünsche es. Aber jetzt wünsche ich, dass du die Macht hältst, und du tust es, obwohl du nicht versucht hast, sie zu umarmen.« Jolines Augen weiteten sich leicht, ein kleiner Riss in ihrer Ruhe. »Und jetzt«, fuhr Tuon fort, »wünsche ich, dass du die Macht
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