Die Klinge der Träume
zur Erinnerung, was eine Schlacht wirklich bedeutete. Der Unterschied, wie ein Kind die Dinge betrachtete und eine Frau. Ruhm wurde immer mit Blut erkauft. Und abgesehen vom Ruhm wurden auch notwendige Dinge oftmals mit Schlachten und Blut bezahlt.
Es gab zu wenig Diener, um diese Aufgaben in einer entsprechenden Zeit zu erledigen, davon abgesehen waren einige von ihnen weißhaarige Ruheständler mit gebeugten Rücken, die sich ohnehin nur selten schnell genug bewegten. Aber so langsam sie auch sein mochten, war Elayne dennoch froh, dass sie freiwillig zurückgekehrt waren, um die neu Eingestellten auszubilden und die Lücken zu füllen, die jene hinterlassen hatten, die während Gaebrils Herrschaft oder Rands Eroberung aus Caemlyn geflohen waren. Sonst hätte der Palast schon vor langer Zeit wie ein Stall ausgesehen. Ein dreckiger Stall. Wenigstens waren die Winterbodenbeläge von den Böden verschwunden. Sie hinterließ eine feuchte Spur auf den rotweißen Fliesen, und dank des ständigen Frühlingsregens hätten die Beläge schon vor dem Abend Schimmel angesetzt.
Diener, die in Erfüllung ihrer Pflichten umhereilten, sahen entsetzt aus, wenn sie sich verbeugten oder einen Knicks machten, was ihre Laune nicht gerade hob. Es schien sie nicht zu stören, dass Aviendha oder Birgitte völlig durchnässt waren, oder die Gardistinnen, was das anging. Sollte man sie doch zu Asche verbrennen, wenn sich alle nicht bald die Erwartung aus dem Kopf schlugen, dass sie den ganzen lieben langen Tag in Watte gepackt wurde…! Ihre Miene war so finster, dass die Diener ihre Ehrenbezeigungen schnell machten und weitereilten. Ihre Laune wurde zum Stoff für abendliche Geschichten vor dem Kamin, obwohl sie sich durchaus bemühte, sie nicht an den Dienern auszulassen. Auch nicht an anderen, aber vor allem nicht an der Dienerschaft. Sie hatten nicht den Luxus zurückschreien zu können.
Sie wollte auf direktem Weg in ihre Gemächer gehen und sich umziehen, aber sie schlug trotz ihrer guten Absichten einen anderen Weg ein, als sie Reanne Corley aus einem kreuzenden Korridor kommen sah, dessen Fliesen ganz rot waren.
Die Reaktion der Dienerschaft hatte nichts damit zu tun. Sie war nicht stur. Sie war nass, und sie wollte ganz dringend trockene Kleidung und ein warmes Handtuch, aber die Kusine zu sehen war eine Überraschung, und die beiden Frauen in Reannes Begleitung erregten ebenfalls ihre Aufmerksamkeit. Birgitte murmelte einen Fluch, bevor sie ihr folgte, und ließ den Bogenstab durch die Luft pfeifen, als wollte sie jemanden schlagen. Der Bund übermittelte eine Mischung aus geduldig ertragenem Leid und Gereiztheit, was schnell unterdrückt wurde. Aviendha wich niemals von Elaynes Seite, auch wenn sie fleißig damit beschäftigt war, den Regen aus ihrem Schultertuch zu wringen. Trotz des vielen Regens, den sie miterlebt hatte, den vielen Flussübergängen seit der Überquerung des Rückgrats der Welt und den riesigen Zisternen unter der Stadt zuckte Aviendha bei dieser Verschwendung zusammen, wenn das Wasser ungenutzt auf den Boden tropfte. Die acht Gardistinnen, die von ihrem plötzlichen Umschwenken überrascht worden waren, eilten stoisch und stumm hinter ihr her. Aber nicht lautlos. Man musste jemandem nur Stiefel und ein Schwert geben, und er fing an zu stampfen.
Eine von Reannes Begleiterinnen war Kara Defane, einst die Seherin eines Fischerdorfs auf der tomanischen Halbinsel, bevor die Seanchaner sie an die Leine gelegt hatten. Kara war mollig und in braune, an den Ärmelaufschlägen mit blauen und weißen Blümchen bestickte Wolle gekleidet. Sie erschien kaum älter als Elayne, dabei ging sie auf die fünfzig zu. Die andere hieß Jillari, eine ehemalige Damane aus Seanchan. Ihr Anblick bescherte Elayne unwillkürlich eine Gänsehaut. Was auch immer man von ihr sagen konnte, diese Frau war und blieb Seanchanerin.
Nicht einmal Jillari selbst wusste, wie alt sie war, obwohl sie sich in ihren mittleren Jahren zu befinden schien. Von zierlichem Körperbau und mit langem, feuerrotem Haar und Augen, die so grün wie Aviendhas waren, beharrten sie und Marille, die andere in Seanchan geborene Damane im Palast, unverrückbar darauf, weiterhin Damane zu sein und wegen ihren Fähigkeiten angeleint werden zu müssen. Die Kusinen versuchten sie unter anderem mit täglichen Spaziergängen an die Freiheit zu gewöhnen. Natürlich sorgfältig überwachte tägliche Spaziergänge. Sie standen Tag und Nacht unter Beobachtung. Damit sie
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