Die Klinge des Löwen 02
heftigen Widerstand
der Reste der herzoglichen Vorhut bereits verunsichert waren, wurden
trotz ihrer Übermacht geschlagen und verloren weit über
zweitausend Mannen. Als die Hauptmacht Herzog Heinrichs erschien, war
die Schlacht schon geschlagen.“
Er
beugte sich zu dem Schild hinunter, hob ihn auf und betrachtete
nachdenklich das Löwenbildnis.
„ Damals“,
fuhr er fort, „wurde mein Vater, noch auf dem Schlachtfeld, von
Heinrich dem Löwen zum Ritter geschlagen.“
Er
stellte den Schild an seinen Platz zurück, und die beiden
interessiert lauschenden Frauen sahen verwundert, wie er langsam und
fast feierlich sein Schwert erneut aus der Scheide zog und es mit
bedeutungsvoller Miene in den Händen wog. Zum erstenmal nahmen
sie bewußt wahr, wie gleichmäßig die scharfe Klinge
geschmiedet war, und eine Gänsehaut überlief die beiden
Frauen, als sie das zu einer furchterregenden Spitze geschliffene
Ende des Schwertes betrachteten. Der mit feinem dunklem Draht
umwundene Griff, von einem markanten Knauf abgeschlossen und nach
vorne durch eine stabile Parierstange begrenzt, war lang genug, um
die Waffe ein- oder beidhändig zu führen.
„ Dies
war das Schwert des Herzogs“, sagte Dietrich in das Schweigen
hinein: „Die Klinge des Löwen. Er schenkte die Waffe
meinem Vater für seinen Mut und seinen Kampfgeist, mit dem er
die Vorhut vor der endgültigen Vernichtung bewahrt hatte. Wenn
er nicht gewesen wäre, hätten die Slawen sich rechtzeitig
neu sammeln können, und wahrscheinlich hätte Gunzelins
Heerhaufen ihre dann geordnete Übermacht nicht überwinden
können.“
„ Seltsam“,
sagte Ida nach einigen Augenblicken des Schweigens. „Ihr tragt
als Erbstück das Schwert von Heinrich dem Löwen und seid
als Kämpfer selbst ein Löwe. Ob das Schicksal es fügte,
daß die Waffe in würdigen Händen verblieb?“
Auf
Dietrichs Gesicht erschien ein dünnes Lächeln. „Ob
ich würdig bin, weiß ich nicht. Aber ich versuche, meine
Pflicht zu tun!“
Schweigend
ließ er die Waffe in die Scheide zurückgleiten; dann sah
er sich auf der Plattform um. Das Feuer war niedergebrannt, nur eine
dünne Rauchsäule stieg aus den glimmenden Glutresten zu den
Wipfeln der Bäume empor.
„ Wir
dürfen das Feuer nicht ausgehen lassen“, sagte er rasch.
„Ich werde sofort neues Holz besorgen.“
Er
trat an den Rand der Felsplatte und sah hinunter. „Da sehe ich
ein paar der primitiven Lanzen herumliegen, die könnten uns
vielleicht nützlich werden. Und dort, die beiden Leitern, die
sie zurückgelassen haben, können wir auch gut brauchen.“
Ida
hatte sich erhoben und war neben ihn getreten. „Was geschieht
mit den Toten?“
Dietrich
antwortete nicht gleich, denn er wußte nicht, was er sagen
sollte. Was gingen ihn jetzt die Toten an? Er hatte für die
Lebenden zu sorgen, daß ihnen kein Leid geschah, und das war
schwer genug! Trotzdem ließ er seine Augen von einem Leichnam
zum anderen wandern. Er sah, daß einer der beiden Verletzten,
die vorhin noch atmeten, nicht mehr zu leben schien. Es war jener
Kerl, den Ida als ersten mit einem Stoß der Brandfackel von der
Plattform befördert hatte. Nach wie vor lang er seltsam verrenkt
auf der Erde. Nichts an ihm bewegte sich mehr. Dietrich vermutete,
daß er sich bei dem Sturz das Genick gebrochen hatte.
Er
wandte sich wortlos auf die andere Seite, und sein Blick fiel auf den
einzigen noch Lebenden, den die Bande im Stich gelassen hatte. Der
Mann kroch auf allen Vieren davon. Offensichtlich bemühte er
sich, seinen Kumpanen zu folgen.
„ Dort
kriecht einer“, sagte Ida halb mitleidig. „Er versucht
wohl, aus unserer Nähe zu kommen.“
„ Den
können wir laufen lassen. Friedliche Leute zu überfallen,
dürfte ihm für lange Zeit vergangen sein!“
Dietrich
hätte sich gerne noch weiter in Idas unmittelbarer Nähe
aufgehalten, aber er wußte, daß jetzt schnelles Handeln
notwendig war. Er ließ den Steigbaum an der Felswand hinab, und
machte sich daran, auf die Erde hinunterzuklettern. Ida sah ihm
wortlos zu, während er sich auf die Felskante setzte, um mit den
Füßen den obersten Astquirl zu erreichen. Geschickt drehte
er sich, indem er seinen Sitzplatz aufgab und sich mit den Armen
aufstützte, bis er auf dem Steigbaum festen Fuß gefaßt
hatte. Bevor er abstieg, sah er Ida noch einmal an. Sie stand nun
über ihm am Rande der Plattform und musterte ihn schweigend, und
ihr sinnender Blick machte ihn fast verlegen.
Rasch
schüttelte er den Bann ab und gab sich
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