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Die Klinge des Löwen 02

Die Klinge des Löwen 02

Titel: Die Klinge des Löwen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Weil
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Himmel“, stammelte Bertha. „Was geschieht mit uns?“
    „ Wir
sind verloren“, sagte Ida tonlos. Sie klammerte sich plötzlich
an Dietrich und flüsterte: „Töte uns, Geliebter, töte
uns, bevor es zum Äußersten kommt...“
    Dietrich
erstarrte. War es möglich oder hatte er sich verhört? Hatte
sie „Geliebter“ zu ihm gesagt? So, wie sie sich an ihn
preßte, gab es keinen Zweifel mehr - im Augenblick höchster
Not hatte sie ihm ihre Liebe unmißverständlich enthüllt!
Aber um welchen Preis!...
    Sanft
löste er sich von ihr; ihm war ein Gedanke gekommen. „Beruhigt
Euch. Noch ist nicht alles verloren.“
    Er
trat vor die beiden Frauen und das Kind und erwartete die
Banditenschar in scheinbar stoischer Ruhe. Seine Kaltblütigkeit
war zwar nur vorgetäuscht, denn ihm war angesichts der
zahlreichen Mordgesellen alles andere als wohl. Aber er wußte,
daß er jetzt keinerlei Schwäche zeigen durfte; und er
wußte auch, daß er versuchen mußte, zu verhandeln.
Er mußte den Kerlen einen Köder hinwerfen, der ihnen mehr
wert sein würde, als sein Tod. Natürlich war es höchst
ungewiß, ob sich die Schurken überhaupt auf ein Gespräch
einließen. Ihre gierigen Blicke, mit denen sie die Frauen
anstarrten, verhießen nichts Gutes.
    Aber
mit einem Willensimpuls verdrängte Dietrich gewaltsam alle
störenden Gedanken, um sich auf das jetzt Wesentliche zu
konzentrieren. Er faßte den Glatzköpfigen ins Auge. Er war
der Anführer. Ihn mußte er sich vornehmen, ihm mußte
er einen Vorschlag unterbreiten, der den Kerl bewegen würde, die
anderen zurückzuhalten. Dietrichs Gedanken jagten sich. Er
wußte, daß er sich rasch zu entscheiden hatte, was er
vorbringen wollte, bevor der Banditenhäuptling das Zeichen zum
Angriff gab.
    Sie
waren nur noch etwa zehn Schritte entfernt. Auf einen kurzen Befehl
des Glatzkopfes blieb die Horde stehen. Anders als die Banditen
zuvor, verhielten diese hier sich momentan völlig ruhig. Aber es
war ein tödliches Schweigen. Neugierig und zum Teil mit
hämischem Grinsen starrten aller Augen die Fremden auf dem
Felsengebilde an. Im Wald war es still wie in einer Leichenhalle, und
die Sonne schickte ihre goldenen Strahlen zwischen den Baumästen
hindurch auf einen Schauplatz menschlicher Gier und menschlicher
Angst, dessen Luft vom Dunst des Todes erfüllt schien.
    Dietrich
ließ seinen Blick über die abgerissenen Gestalten wandern.
Einige davon erkannte er; sie waren bei dem letzten Angriff
dabeigewesen. Ihren haßerfüllten Mienen war anzusehen, daß
ihnen der Sinn nach Rache stand.
    Der
Anführer löste sich aus der Menge und kam mit zwei weiteren
Bandenmitgliedern näher. Es fiel Dietrich auf, daß er
besser gerüstet war, als die übrigen. Er trug eine mit
Eisenringen besetzte Lederbrünne, Beinlinge aus festem, braunem
Leinen und halbhohe Stulpenstiefel. An einem einfachen ledernen
Wehrgehenk baumelte die hölzerne und mit schadhaftem Leder
beschlagene Scheide, in der ein Schwert steckte, dessen Griff eng mit
einem dünnen Lederriemen umwickelt und am Ende durch einen
dreieckigen Eisenknauf gesichert war.
    Die
Haltung des Mannes ließ eine ausgeprägte Arroganz
erkennen. Für Dietrichs Geschmack trug er die lange Nase etwas
zu hoch, was wohl einerseits auf ein übersteigertes
Selbstbewußtsein zurückzuführen war, andererseits
aber auch deutlich machte, daß der Mann insgeheim von einem
starken Minderwertigkeitsgefühl beherrscht wurde. Seine
blaßgrauen Augen blickten verschlagen; mitunter zeigten sie ein
böses Glimmen, das die Neigung zu unbeherrschten Reaktionen
erkennen ließ. Sein dicklippiger Mund wies einen grotesken Zug
zur Überheblichkeit auf. Besonders auffällig war das Fehlen
jeglichen Bartwuchses, was dem Gesicht des Mannes einen Ausdruck
kindlicher Unfertigkeit verlieh. Sein blondes Kopfhaar war nur noch
in Resten als kurzgestutzter Haarkranz vorhanden, so daß man
bei flüchtigem Hinsehen an einen zu groß geratenen
Säuglingskopf denken konnte.
    Alles
in allem machte das Äußere dieses Burschen auf Dietrich
den Eindruck eines zwar schlauen, aber unbeherrschten Mannes, der
schnell zuschlug, wenn ihm etwas nicht paßte. Eine gefährliche
Mischung aus vorgetäuschtem Selbstbewußtsein und
hinterhältiger Grausamkeit, dachte Dietrich.
    Der
Säuglingskopf baute sich großspurig vor dem Felsgebilde
auf. Es war ihm anzumerken, daß es ihm nicht paßte, zu
Dietrich, der hoch über ihm an der Plattenkante stand,
hinaufsehen zu müssen. Seine fleischige Unterlippe hing

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