Die Klinge des Löwen 02
versuchte dieser nun, seine Leute noch mehr
aufzupeitschen.
„ Also,
Männer, auf was warten wir noch? Wenn die vornehmen Herrschaften
nicht freiwillig zu uns kommen, dann werden wir sie uns holen!“
„ Ja!“
brüllte die Meute der Gesetzlosen. „Holen wir sie!“
Die
Masse der Räuber drängte jetzt in wildem Getümmel an
die Felsen heran. Einige machten bereits Anstalten, auf drei Seiten
daran emporzuklettern.
„ Halt!“
rief Dietrich und riß sein Schwert aus der Scheide. „Bevor
ihr etwas Unüberlegtes tut, hört mich an!“
Der
Banditenführer sah unwillig zu ihm auf. Aber er gab seinen
Leuten ein Zeichen, sich noch zurückzuhalten.
„ Sag,
was du zu sagen hast. Aber mach schnell, denn Geduld ist nicht meine
Stärke!“
In
diesem Augenblick kam Dietrich reflexartig ein Gedanke: Vielleicht
konnte er den Einfluß des Säuglingskopfs auf seine Leute
vorübergehend ausschalten, indem er ihn ignorierte und sich
direkt an die Räuberschar wandte!
„ Nun,
gut“, rief er laut in den Tumult zu seinen Füßen.
„Ich will euch sagen, was passiert, wenn ihr euren Fuß
auf diese Plattform setzt.“
Einige
der Räuber blieben stehen, weitere hielten in ihrem
Vorwärtsdrang inne. Das Geschrei ebbte allmählich ab.
Fragende Mienen sahen zu ihm auf, und Dietrich sah die Gelegenheit,
das Heft an sich zu reißen.
„ Ich
bin Dietrich vom Hain, Ritter und Lehnsmann des Grafen Max von
Ortenburg, und ich habe den Auftrag, die Gemahlin des Grafen und ihr
Kind und die Zofe sicher zur Kastelburg zu geleiten. Mir ist ferner
von meinem Lehnsherrn eindringlich nahegelegt worden, die Frauen und
das Kind eher zu töten, als sie in die Hände von
vogelfreiem Raubgesindel fallen zu lassen. Genau das wird geschehen,
falls einer von euch versucht, Hand an sie zu legen. Und seid
versichert, bevor ihr mich überwältigt, werde ich
mindestens einem halben Dutzend von euch den Garaus machen! Ihr
anderen aber werdet die Toten beneiden, denn euer Schicksal wird
grausam sein. Bedenket wohl, Max von Ortenburg hat großen
Einfluß auf den herrschenden Adel in unserem Lande. Sobald eure
Tat ruchbar geworden ist - und verlaßt euch darauf, sie wird
ruchbar werden -, läßt er euch hetzen wie wilde Tiere, und
am Ende warten Folter und Galgen auf euch!“
Als
Dietrich schwieg, hatte er den Eindruck, als ob sich auf den Mienen
der zerlumpten Gestalten wachsende Unschlüssigkeit, wenn nicht
sogar Furcht widerspiegelte. Er gewahrte ferner, daß der
Glatzköpfige ihm wütende Blicke zuwarf, als hätte er
begriffen, daß er durch den an die ganze Bande gerichteten
dramatischen Appell ausgebootet werden sollte.
Doch
so schnell gab sich der Anführer nicht geschlagen.
„ Du
beliebst zu scherzen!“ rief er ungehalten. Auch ihm war
anzumerken, daß Dietrichs Worte ihn verunsichert hatten. Die
übrigen Wegelagerer standen mit betroffenen Gesichtern um ihn
herum.
„ Nein,
er scherzt durchaus nicht!“ Ida war plötzlich mit
entschlossener Miene neben Dietrich getreten. „Dietrich vom
Hain hat den Auftrag, uns unter allen Umständen davor zu
bewahren, entehrt zu werden - und sei es durch einen Dolchstoß.
Im übrigen wäre eine solche Absicht, wie ihr sie hegt, die
größte Dummheit, die ihr begehen könntet.“
Auf
dem glatten Gesicht des Anführers malte sich Erstaunen. Er
verbeugte sich linkisch und musterte anschließend die Gräfin
mit törichtem Grinsen.
„ Ihr
sprecht mutig, holde Dame. Aber sagt mir, warum wir dumm wären,
wenn wir uns nicht zurückhielten?“
„ Man
wird es dir erklären“, sagte sie kurz angebunden. Sie warf
Dietrich einen aufmunternden Blick zu, den er mit einer fast
unmerklichen Neigung des Kopfes beantwortete, während sie wieder
einen Schritt zurücktrat. Er war ihr dankbar für das
entschlossene Auftreten, das es ihm erleichterte, endlich den
Banditen seinen Plan schmackhaft zu machen.
Er
wandte sich wieder dem Anführer zu und faßte ihn scharf
ins Auge. Gleichzeitig erkannte er, welch ein großer Vorteil es
für ihn war, von erhöhtem Standort zu den Mordgesellen zu
sprechen. Sie alle waren gezwungen, zu ihm aufzublicken. Das mußte
den Wegelagerern, wenn auch unbewußt, ein Gefühl der
Unterlegenheit einflößen. Er nahm sich vor, diese
Situation auszunutzen und sich das Heft nicht mehr aus der Hand
nehmen zu lassen. Möglicherweise kam es jetzt nur darauf an,
langsam und mit Nachdruck zu sprechen. Er wußte, daß nur
eine zur Schau getragene vollkommene Gelassenheit die nach wie vor
erhitzten
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