Die Klinge des Löwen 03
Aufregung."
Folgsam
wie ein kleiner Junge nickte der Freiherr und wandte sich ohne ein
weiteres Wort zum Gehen. Dietrich atmete auf. Das wäre
überstanden, dachte er, obwohl ihm klar war, daß er dem
Ullenburger zuviel versprochen hatte. Was er ihm in Aussicht
gestellt, war gar nicht zu verwirklichen. Wie sollte er dessen Frau
und Kinder befreien, wenn keiner wußte, wo man sie
gefangenhielt!
Noch
einmal ließ Dietrich seine Augen prüfend über die
slawischen Palisaden wandern. Der darüber hinausragende Wurfarm
des Tribocks erschien ihm wie ein mahnender Finger - eine stumme,
unheimliche Drohung, die kaum Hoffnung auf einen Ausweg ließ.
Dort
draußen, hinter dem Wall, war im Moment keinerlei Bewegung
wahrzunehmen. Außer ein paar Wachen hatten sich wohl die
meisten feindlichen Kräfte ins Lager zurückgezogen, von wo
der Wind wie zum Hohn Musik und Gesang herüberwehte. Dietrich
überlegte, ob es sinnvoll wäre, bei Nacht einen Ausfall zu
wagen und die hölzerne Barrikade samt dem Tribock in Brand zu
stecken. Einerseits war es einen Versuch wert, andererseits gerieten
dadurch Weib und Kinder des Ullenburgers erst recht in Lebensgefahr.
Er
zermarterte sich den Kopf nach einer Lösung, nur um letztlich
festzustellen, daß er zu wenig Leute zur Verfügung hatte.
Während er noch über die schlechten Aussichten
nachgrübelte, wurde er durch ein seltsames Gespann abgelenkt.
Ein Mann von erheblichem Umfang, der einen bepackten Handkarren
hinter sich herzog, näherte sich über den weiten Platz vor
der Burg. Gekleidet war er nach Art der Einheimischen; ein brauner,
halblanger Überwurf mit Kapuze bedeckte seinen korpulenten
Körper bis zu den Knien. Da es ihm offenbar an einem Gürtel
mangelte, hatte er sich einen Strick um den Leib geschlungen. An den
Beinen, die in ausgetretenen Bundschuhen steckten, trug er graue
Wickelstrümpfe. Alles in allem eine armselige Gestalt, dachte
Dietrich und sah dem Fremden neugierig entgegen. Sein Erstaunen aber
war groß, als er erkannte, daß es der Händler Hacko
war, der sich mit seinem Wägelchen der Burg näherte.
Dietrich kannte ihn aus der Zeit, als er noch regelmäßig
die Burgen der Umgebung aufsuchte, darunter auch die Ortenburg. Aber
damals war der Dicke mit Roß und stattlichem Wagen unterwegs,
der immer mit begehrten Waren gefüllt war, und auch sein Äußeres
ließ einst erkennen, daß ein wohlhabender Kaufmann den
Handel betrieb.
Angesichts
der ruhigen Lage draußen gab Dietrich den Befehl, die Zugbrücke
zu senken und für den Händler rasch das Tor zu öffnen.
Als Hacko schließlich schnaufend und schwitzend im Zwinger
stand, während der Burgeingang wieder gesichert wurde, kam
Dietrich vom Wehrgang herunter, um sich nach dem Grund des
unerwarteten Besuches zu erkundigen.
"Ich
dachte, dich gibt es gar nicht mehr", begrüßte er den
Händler und musterte neugierig den unscheinbaren Handkarren, den
er mit sich führte. "Du scheinst deinen Handel verkleinert
zu haben? Wo hast du den großen Tonnenwagen gelassen, der immer
so üppig gefüllt war - mit Salz, Wein, Seide und all den
Sachen, die Männlein und Weiblein entzücken?"
"Ja,
ja, das waren Zeiten", stöhnte Hacko melancholisch und
wischte sich dabei mit einem bunten Schweißtuch über Kopf
und Stirn. "Heutzutage ist vieles anders. Wovon soll ein Händler
leben, wenn der Krieg ihm alles verdirbt! Womit soll man handeln? Es
kommt ja kaum etwas ins Land!" Er schüttelte traurig den
Kopf und setzte bekümmert hinzu: "Man muß sich
bescheiden."
"Und
jetzt willst du dein Geschäft bei uns aufbessern?" sagte
Dietrich und warf erneut einen Blick auf das Gefährt des
Besuchers, dessen Inhalt unsichtbar unter einer Plane zu ruhen
schien. "Was hast du denn Schönes unter der Decke?"
Zum
zweitenmal seit seinem Auftauchen setzte der Händler Dietrich in
Erstaunen. Während er umständlich sein feuchtes Schweißtuch
in der Rocktasche verstaute, sagte er leise: "Ich bin nicht
hier, um Geld zu verdienen, sondern um Euch zu warnen!"
"So?"
sagte Dietrich verdutzt. Er sah erstaunt, wie Hacko seine fetten
Hände wand, als hätte er ein schlechtes Gewissen. "Na,
dann rede, Mann!"
"Ach
ja, was für ein Elend", begann der Besucher umständlich.
"Ich bin inzwischen arm wie eine Kirchenmaus. Um nicht zu
verhungern, begann ich Flüchtlinge zu retten, die sich vor den
Slawen in Sicherheit bringen wollten..."
"Du?
Wie hast du denn das angestellt?"
"Nun
ja, ich habe ihnen ein neues Obdach verschafft, indem ich dafür
sorgte, daß
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