Die Klinge des Löwen 03
feine und zugleich
stählerne Geist ihrer Herrin hinter aller Sanftheit bewußt
geworden war.
Adelheids gezeigte Zuversicht -
oft genug nur gespielt - und ihr entschlossenes Handeln weckten in
den Bewohnern der versteckt liegenden Burg die Bereitschaft, für
ihre junge Herrin notfalls durchs Feuer zu gehen. Daß sie
mitunter selbst von der Verzweiflung übermannt wurde, zeigte sie
niemand, denn sie wußte, falls sie sich gehen ließ, würde
für diese einfachen Menschen eine Welt einstürzen.
Bisher war die Thiersburg von den
unmittelbaren Greueln des Krieges verschont geblieben. Aber daß
dies keineswegs immer so bleiben müsse, erfuhr Adelheid von
Hacko, der vor kurzem plötzlich aufgetaucht war. Erfaßte
sie zunächst ein beseligendes Gefühl, als er sie im Namen
Dietrichs grüßte, so schlug ihre Stimmung in große
Besorgnis um, nachdem der Händler mit der Nachricht
herausrückte, daß die Slawen inzwischen um ihre Burg
wußten.
Aber nicht nur der Feind hatte
womöglich ihr stilles Tal entdeckt, sondern in wachsender Zahl
auch ihre eigenen Landsleute. Denn als die Schlacht um die Ortenburg
begann, waren gleichzeitig wieder mordende und brandschatzende
Kriegshaufen der Slawen unterwegs, was zu immer neuen
Fluchtbewegungen führte. Offenbar hatte es sich inzwischen weit
herumgesprochen, daß die Thiersburg abgeschieden in einem
stillen Schwarzwaldtal lag, das vor den Slawen sicher schien.
Der
jungen Burgherrin war bewußt , daß aus dem erneuten
Zustrom an Flüchtlingen eine Gefahr für sie alle erwachsen
konnte, denn eine überfüllte Burg würde zum
Zusammenbruch der bisher mühsam aufrechterhaltenen Ordnung
führen. Das durfte nicht geschehen. Irgendwann würde sie
die Menschen abweisen müssen, die um Obdach baten.
Die Neuankömmlinge
berichteten von Grausamkeit und Verwüstung und vergrößerten
das Entsetzen und die Angst vor der Zukunft. Doch nun wurde die
eherne Widerstandskraft und der unerschrockene Mut Adelheids für
jedermann sichtbar. Sie konnte jetzt auch auf die Erfahrungen
zurückgreifen, die sie beim Eintreffen früherer
Flüchtlingszüge gesammelt hatte. Zusammen mit ihren eigenen
Damen und mit zusätzlich eingeteilten Bauersfrauen ordnete sie
das mitunter heillose Durcheinander von Mensch und Tier, verarztete
die Verletzten, rationierte die vorhandenen Nahrungsmittel und sorgte
dafür, daß Alte und Kranke ein
Dach über dem Kopf hatten. D ie Jungen und die
einsatzfähigen Älteren unter den Flüchtlingen schickte
sie auf Nahrungssuche, denn so viele Menschen waren mit den
begrenzten Vorräten der Burg nicht zu verköstigen. Auf
diese Weise setzte sie sich überall durch und blieb Herrin über
die manchmal verworrene Situation.
Daß ihr zuweilen vor
Verzweiflung die Tränen kamen, weil ein tatkräftiger Mann
wie Dietrich an allen Ecken und Enden fehlte, ließ sie
niemanden sehen. Einer solchen Regung gab sie nur nach, wenn sie
allein in ihrer Kemenate war. Aber auch wenn sie sich mitunter völlig
kraftlos fühlte, so hielten derartige Phasen nie lange an, denn
stets schöpfte sie neue Zuversicht aus dem Quell ihrer Jugend.
So
schien es schließlich, als käme die Thiersburg entgegen
Hackos Warnung in diesem Krieg unversehrt davon. An jenem Tag,
als Dietrich mit seinen Getreuen dem Slawensturm zu erliegen drohte,
war Adelheid in besonders guter Stimmung, denn sie ahnte nichts von
seiner Not. Ihre Bauern waren schon kurz nach Mittag heimgekommen.
Der Hafer war geerntet und bereits eingescheuert. Auf der Zugbrücke
stand ein Wagen voller Feldfrüchte - allerdings in schiefer
Lage, als drohte er gleich umzustürzen.
Henner, der sich, seit Adelheid
ihn gemaßregelt, zu einem der eifrigsten Knechte gewandelt
hatte, war mit einigen anderen dabei, den Wagen zunächst einmal
zu stützen, da er mit dem rechten Hinterrad wegen zweier
schadhafter Brückenplanken eingebrochen war. Unter der Aufsicht
des alten Bartholomäus bemühten sie sich
anschließend schwitzend und fluchend, den Ochsenkarren aus dem
Loch herauszubekommen, um die Zugbrücke wieder freimachen
und hochziehen zu können.
U nberührt
vom Getriebe der Menschen ragte die Burg auf ihrem Hügel empor, inmitten des engen Tales ein wohltuendes
Bild des Friedens. In den Schatten unterhalb der Burgmauer auf der
Ostseite duckten sich die jüngst erstellten primitiven Hütten,
in denen geflüchtete Familien hausten. Aus den Dachöffnungen
stieg der Rauch von Herdfeuern in den Sommerhimmel. Auf dem Weg über
dem Bach lärmten Kinder in
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