Die Klinge des Löwen 03
gewehrt?"
rief Dietrich mit verblüffter Miene.
Nach einem hilflosen
Schulterzucken und einem tiefen Seufzer berichtete der Ullenburger,
was ihm widerfahren war:
"Ach, es war ja nicht vorauszusehen, was geschehen würde!
Zuerst kam ein einzelner Mann, ein recht harmlos aussehender Mensch,
der nichts Fremdartiges an sich hatte, sondern nach Art unserer
Bauern gekleidet war. Drei weitere in demselben Aufzug hielten mit
einem von vier Ochsen gezogenen Fuhrwerk hundert Schritt vor der
Burg. Auf dem Karren waren wohl ein Dutzend große Fässer
geladen. Mir schien, sie wollten abwarten, ob ihr Wortführer
sein Anliegen vorbringen könne, und ich hab' mir leider nichts
dabei gedacht."
Bekümmert
strich sich der Freiherr über sein schütteres Haar, ehe er
fortfuhr: "Außer den vieren war weit und breit niemand zu
sehen. Derjenige, der zuerst aufgetaucht war, stand inzwischen vor
dem Torgraben und erklärte nach einigen wortreichen
Entschuldigungen, daß bittere Not sie zwinge, fremde Leute um
Barmherzigkeit anzuflehen. Sie seien freie Bauern und in einem der
nördlichen Gaue daheim. In ihren Weilern herrsche dramatischer
Wassermangel, weil ihre Quellen infolge des trockenen Sommers
versiegt seien. Nun wären sie gezwungen, sich anderweitig nach
dem kostbaren Naß umzusehen, denn die Kinder und die Alten in
ihren Dörfern litten unmenschlichen Durst, und viele seien schon
krank oder lägen gar im Sterben. Er habe gehört, daß
wir einen sehr ergiebigen Brunnen in der Burg hätten, und sie
bäten darum, ihnen um Christi willen für die armen Kindlein
von unserem Überfluß an Wasser abzugeben."
"Und da habt
Ihr sie eingelassen?" sagte Dietrich kopfschüttelnd.
Jost von Ullenburg
hob hilflos die Hände. "Ich Narr ließ ihnen öffnen,
weil es ja stimmte, daß wir auf einer Wasserquelle mit großem
Druck sitzen. Und weil mich die Kinder dauerten, hab' ich die Kerle
in die Burg gelassen."
"Die haben
wahrscheinlich lange genug in der Gegend herumspioniert, bis sie
herausfanden, daß Euer Brunnen mehr Wasser hergibt als andere",
sagte Dietrich. "Aber sagt mal - mit vier Leuten hätten
Eure Bewaffneten doch fertig werden müssen?"
Abermals lachte Jost
bitter auf. "Das glaubt Ihr! Ihr wißt ja nicht, was in den
Fässern steckte!..."
Während aller
Augen gespannt auf den Besucher gerichtet waren, schüttelte
dieser resigniert den Kopf. "Ich dreimal gottverlassener Narr
bin auf eine alte List hereingefallen. Während ich mit ein paar
Mannen zusah, wie die Kerle ihr Gespann vor den Brunnen bugsierten,
fielen plötzlich die Faßdauben auf dem Karren auseinander
und herunter sprangen wohl an die zwölf bewaffnete
Slawenkrieger, die sich in den Fässern versteckt hatten. Im Nu
waren wir paar Leute überwältigt, und als meine restliche
Burgbesatzung begriffen hatte, was da vorging, hatte ich bereits
einen Slawendolch an der Kehle sitzen, und keiner meiner Mannen wagte
mehr, Widerstand zu leisten. Dann kam, was kommen mußte - einer
der Feinde rannte vor das Tor, das ja offen war und blies in ein
Horn. Wenig später flutete eine größere Schar dieser
Steppenvögel in den Burghof, die sich wohl gut versteckt hatten,
bis sie Einlaß fanden. Sie übernahmen die Burg, sperrten
meine Krieger ins Verließ, zwangen das Gesinde, ihre Befehle zu
befolgen, führten meine Gemahlin und die Kinder hinweg - kein
Mensch weiß, wohin -, und mich verprügelten sie. Danach
jagten sie mich von meinem eigenen Grund und Boden, nicht ohne mir
den höhnischen Rat mit auf den Weg zu geben, ich solle im Lande
kund tun, was den Burgbesitzern unserer Region blühe, wenn sie
sich nicht auf die Seite Ottos von Braunschweig schlügen."
Der Besucher verfiel
in dumpfes Schweigen und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Ida
wandte sich an Dietrich. "Was mag das bedeuten, daß die
Halunken sich in Herrn von Ullenburgs Feste einnisteten?"
"Ich habe das
Gefühl, das war nur der Anfang", entgegnete Dietrich
düster. "Mir kam es von Beginn an seltsam vor, daß
das Slawenheer nach dem Sieg über uns seinen Vormarsch
abgebrochen hat. Die wollen den Winter hier aussitzen. Wahrscheinlich
denken sie, die Versorgung der vielen Krieger ist draußen auf
dem flachen Land besser zu bewerkstelligen, als oben auf den
Schwarzwaldhöhen."
Ida sah ihn mit
großen Augen an. "Wollt Ihr damit sagen, daß wir das
Slawenvolk bis ins nächste Frühjahr hinein ertragen
müssen?"
"Nicht nur
ertragen, Gräfin", entgegnete Dietrich in schleppendem Ton.
"Nicht nur ertragen! Es wird der Tag
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