Die Klinge des Löwen 03
überlegen, wie zu erfahren wäre, wo
Eure Gemahlin und die Kinder gefangengehalten werden. Wir halten
ebenfalls Augen und Ohren offen. Sobald sich ein Anhaltspunkt ergibt,
der auf den möglichen Aufenthaltsort Eurer Lieben hinweist,
werden wir bestimmt einen Weg finden, sie zu befreien."
Er erhob sich, trat
lächelnd zu dem bekümmert in seinem Armsessel kauernden
Herrn von Ullenburg und legte ihm mit aufmunternder Geste die Hand
auf die Schulter. "Ist das ein Wort, lieber Freiherr?"
Jost faßte
spontan mit beiden Händen die Hand des jungen Ritters und sagte
in bewegtem Ton: "Danke! Habt Dank für das, was Ihr gesagt
habt. Und wenn ich mit Eurer Hilfe Gemahlin und Kinder wiedersehen
sollte, dann bin ich auf ewig in Eurer Schuld!"
Dietrich lachte und
trat zurück. "Na, 'ewig' ist ein großes Wort, Herr
Jost! Stellt Euch vor, Ihr wäret ewig mein Schuldner! Das könnte
ich nicht ertragen...da würde mir die Ewigkeit keine Freude
bereiten."
"Also gut",
stimmte der Freiherr jetzt in den Spaß ein. "Sagen wir,
auf irdische Lebenszeit!"
In der nun doch
etwas gelockerten Atmosphäre verabschiedeten sich die Männer
von der Gräfin, die in der Kemenate zurückblieb. Der
Kämmerer ging mit dem Besucher nach draußen, um ihm eine
Unterkunft zuzuweisen. Als Dietrich ihnen folgen wollte, hielt Ida
ihn zurück.
"Herr
Dietrich", sagte sie absichtlich so laut, daß die beiden
anderen es hören konnten, "ich muß mit Euch noch über
die gefangenen Slawen sprechen." Dann schloß sie rasch die
Tür, und indem sie kokett lächelnd auf ein mit bestickten
Kissen belegtes Spannbett deutete, verfiel sie in das vertrauliche
Du: "Komm, setz' dich, wir haben so manches miteinander zu
bereden."
Während er sich
leicht angespannt niederließ, überlegte er, was es wegen
der Gefangenen ausgerechnet mit Ida zu besprechen gäbe. Es kam
ihm nicht in den Sinn, daß sie diese Ausrede gebraucht hatte,
um den anderen beiden einen plausiblen Grund vorzuspiegeln, weshalb
sie ihn zurückhielt. Er sah, wie sie abermals zur Tür eilte
und draußen einem Pagen befahl, ihre Zofe Bertha zu rufen. Sie
empfing die Kammerfrau zwischen Tür und Angel. Die Tür
öffnete sich so, daß Dietrich durch sie verdeckt wurde und
von draußen nicht zu sehen war. Erstaunt beobachtete er, wie
Ida sich in die Öffnung stellte, so daß Bertha weder
eintreten noch ihn zu Gesicht bekommen konnte. Er lauschte
angestrengt, was die beiden miteinander tuschelten, verstand aber nur
einzelne Wortfetzen. Immerhin konnte er sich daraus den Sinn
zusammenreimen: Ida wollte unter keinen Umständen gestört
werden! Verwundert fragte er sich, was das alles wohl bedeuten
mochte...
*
Im einzigen festen
Haus von Offinburc, das teilweise gemauert und nur im Oberteil aus
Holz erbaut war und das zusammen mit mehreren schäbigen Hütten
und ein paar Schuppen die Marktsiedlung darstellte, saßen um
dieselbe Zeit Gotvac, der slawische Heerführer, und sein Berater
Feinel zusammen. Der hünenhafte Pole trug über dem kurzen
Kettenhemd einen braunen Waffenrock, den ein silberbeschlagener
breiter Gürtel zusammenhielt. Er saß barhäuptig auf
einer breiten Bank, die an der Wand entlanglief, und sein grau-gelb
meliertes Haar fiel ihm wie eine dichte Löwenmähne in den
Nacken. Sein braungebranntes, straffes Gesicht strahlte an diesem
Morgen Zufriedenheit aus, und er grinste vergnügt vor sich hin,
während er Feinel zuhörte, der ihm schilderte, wie eine
Einheit ihrer Krieger die Ullenburg samt allem, was darin war,
kampflos in die Hand bekommen hatte.
"Das war meine
Idee!" triumphierte Gotvac, als sein Berater den Bericht beendet
hatte.
Der Jude, der auf
einem Hocker saß und dessen gedrungene Gestalt mit dem Rücken
gegen den langen, aus rohen Brettern bestehenden Tisch lehnte, sah
seinen Herrn mit einem lauernden Blick an, der zugleich spöttische
Gelassenheit gegenüber dessen Eigenlob erkennen ließ.
"Ein zweites
Mal wird uns das nicht gelingen", sagte er trocken und räkelte
sich ungeniert.
"Ach, du bist
ein ewiger Schwarzseher!" entgegnete Gotvac wegwerfend. "Diese
List können wir noch oft anwenden!"
"Meint Ihr? Und
was ist mit dem Ullenburger, den unsere Leute davonjagten? Glaubt Ihr
im Ernst, der wird alles für sich behalten und keinem Menschen
erzählen, was ihm passiert ist?"
Es blieb eine Weile
still in dem Raum, denn Gotvac ließ sich die Worte seines
Beraters schweigend durch den Kopf gehen. Das selbstgefällige
Grinsen auf seinem Gesicht erstarb. Er sprang auf und lief
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