Die Klinge des Löwen 03
widerspiegelte, nickte Gotvac und sagte: „Du bist ein
trefflicher Beobachter, aber wie willst du deine Erkenntnis in die
Tat ummünzen?“
„ Ganz
einfach. Nach dem Fall der Schauenburg werden wir einen Herold mit
großem Gefolge durch die Lande schicken. Wenn Ihr wollt, spiele
ich diesen Herold. Er wird vor den Burgen auftreten und den Adligen
ein verlockendes Angebot unterbreiten."
"Was
willst du ihnen denn anbieten - etwa Geld?"
"Nein,
Graf, Geld bekommen sie von uns keines auf die Hand", entgegnete
Feinel. Mit verschlagenem Grinsen setzte er hinzu: "So, wie ich
Euch den Charakter der Herren in diesem Land geschildert habe, bedarf
es des richtigen Köders! Versprich ihnen Macht und Reichtum, und
sie werfen alle Regeln über den Haufen, um dabei zu sein. Ob
Edelmann oder Höriger - die meisten verhalten sich im Leben wie
Schafe. Anstatt nachzudenken, läuft die Herde demjenigen
hinterher, der ihnen goldene Zeiten verspricht. Und hier in der
Mortenau kommt jetzt noch die Angst dazu, von uns überrannt zu
werden. Ich wette, daß unter den Burgherren viele sind, die auf
die Treue zu ihrem König pfeifen, wenn ihnen ein anderer mehr
und Besseres bietet."
Der
slawische Heerführer betrachtete seinen Berater mit
nachdenklichem Blick. "Du scheinst ein ganz durchtriebener
Bursche zu sein, und ich hoffe in deinem Interesse, du legst an mich
nicht denselben Maßstab an!"
"Wo
denkt Ihr hin, Graf!" entgegnete der Jude mit gespielter
Empörung. "Ihr seid aus anderem Holz! Außerdem habt
Ihr die Macht über dieses Land in Euren Händen und könnt
tun, was Euch beliebt. Die vielen kleinen Herrscher hier hocken feige
in ihren Burgen und zittern vor Euch. Versteht Ihr - sie zittern vor
Euch, nicht vor ihrem machtlosen König Philipp! Wenn nun einer
kommt und ihnen ein neues, sicheres Leben in Reichtum und mit
politischem Einfluß verspricht, dann fallen sie um und schlagen
sich bedenkenlos auf Eure Seite! Da werden wir sie packen - bei ihrer
Gier und ihrem einfältigen Dünkel!"
Nach
diesen Worten verfiel Feinel in Schweigen und starrte mit einem
wissenden Gesichtsausdruck aus dem Fenster, als zeichne sich am
Horizont das künftige Geschehen ab. Mehr zu sich selbst murmelte
er schließlich: "Wenn wir sie erst einmal auf unserer
Seite haben, werden wir sie schon lehren, was ihnen zusteht! Zurück
können diese Kreaturen dann nicht mehr, denn dort gelten sie als
Verräter! Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn ich
auf meine Art nicht mindestens die Hälfte der Edelleute dieser
Region auf unsere Seite brächte!"
*
Von
Dietrichs Treuebruch ahnte die junge Adelheid natürlich nichts.
Sie wußte, wenn sie es sich recht überlegte, überhaupt
nicht viel von ihm. Es kam ihr auch nicht in den Sinn, daß sie
in dieser Notzeit ein ähnliches Schicksal durchlebte wie
Dietrich. Auch sie war aus einem ruhigen, sicher scheinenden Dasein
schlagartig herausgerissen und in eine völlig andere Welt
geworfen worden. Allerdings empfand sie in jüngster Zeit
instinktiv, daß dieses neue Leben ziemlich deprimierend für
sie war. Als ihre Mutter sie mit der Anordnung überrascht hatte,
Dietrich zu heiraten, war sie zunächst begeistert. Sie schwärmte
für den stattlichen Rittersmann, seit sie ihm beim
Begrüßungsfest auf der Burg ihres Vaters erstmals als
erblühende Maid begegnet war. Mehrmals hatte sie ihm dort schöne
Augen gemacht, aber der junge Recke war damals so sehr mit seiner
Tischnachbarin Ida beschäftigt, daß er ihre glühenden
Blicke wohl nicht bemerkt hatte.
Mit
der Hochzeit war dann völlig unverhofft ihr Traum scheinbar in
Erfüllung gegangen. Allerdings mußte sie vor sich selbst
zugeben, daß sie sich diese Zeremonie in ihrer schwärmerischen
Vorstellung ganz anders ausgemalt hatte. Nichts aus ihrer erdachten
Märchenwelt verwirklichte sich. Die hastige Trauung, das
zerstreute, fast abweisende Verhalten ihres Bräutigams, die
eilig gerüstete Festtafel auf der Ortenburg mit den sparsam
aufgetragenen Speisen, die gedämpfte Stimmung der
Hochzeitsgäste, das alles führte ihr statt eines
romantischen Hochzeitstraumes die harten Tatsachen vor Augen - eine
notgedrungene Vermählung vor dem düsteren Hintergrund eines
drohenden Krieges gegen die Slawen und der Folgen, die daraus
erwuchsen. Für sie als Braut war das der Grund, warum die Sorgen
um die Zukunft mit am Hochzeitstische saßen und der
Fröhlichkeit den Platz verwehrten. Von der Intrige, deren Opfer
sie geworden war, wußte sie nichts.
Ihr
selbst schien es
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