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Die Klinge des Löwen 03

Die Klinge des Löwen 03

Titel: Die Klinge des Löwen 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Weil
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stehend.
Trotz seiner Befangenheit, mit der er Bericht erstattete, war sein
Blick ungetrübt. Er sah eine verhärmte junge Frau, deren
traurige Augen die niedergedrückte Stimmung widerspiegelten, in
der sie sich befand. Aber trotzdem gewahrte der Alte, daß
selbst die ungreifbare Verhüllung in Trostlosigkeit den
ursprünglichen Liebreiz ihrer Erscheinung nicht zu verbergen
vermochte.
    Adelheid
stand jetzt im achtzehnten Lebensjahr, das wußte er von
Dietrich, der in seinem Beisein einmal beiläufig ihr Alter
erwähnt hatte. Er sah, daß sie knapp mittelgroß war,
aber da sie sich gerade wie eine Tanne hielt, wirkte sie größer
auf ihn. Seine Augen glitten mitunter schüchtern über ihr
Gesicht, dessen weiße Haut sich straff über die Knochen
spannte und damit ihrem Antlitz einen etwas herben Ausdruck verlieh.
Er sah ihr festes, fülliges blondes Haar, das sie kunstvoll um
den Kopf geschlungen trug. Ihre großen grauen Augen verrieten
ihm, daß sie aufmerksam zuhörte, was er zu sagen hatte.
Sein Blick streifte, während er berichtete, ihre kleine, aber
ebenmäße Nase, ihre Ohren, wenn sie den Kopf wandte, die
ebenfalls klein und gut durchgebildet waren. Seine in langen
Lebensjahren erworbene Erfahrung sagte ihm, daß ihr wie von
einem Bildhauer geformtes zierliches und doch festes Kinn von
verhaltener Willenskraft kündete. Dazu paßte auch der
markante, aber nicht zu breite Mund mit den etwas schmalen, jedoch
blutvollen Lippen.
    Als
er seinen Bericht beendet hatte, ging sie überlegend auf und ab,
und er bemerkte mit Wohlgefallen, daß sie sich trotz ihres
scheinbaren Grams mit einer federnden Elastizität bewegte. Es
war unverkennbar: alles, was sie tat - ob im Guten oder Schlechten -,
geschah entschlossen und zielstrebig, dessen war er sich sicher, je
länger er in ihrer Nähe weilte. Und eine Ahnung überkam
ihn, daß in diesem zarten Geschöpf weitaus mehr Energie
stecken mochte, als man auf den ersten Blick vermutete. Nur schade,
daß sie diese ihr innewohnende Kraft bisher gegen sich selbst
gerichtet hatte! Wie konnte Dietrich ein solcher Narr sein und die
junge Frau in der abgelegenen Gegend versauern lassen?
    Aber
noch ehe er den Gedanken weiterspinnen konnte, wandte sich Adelheid
ihm wieder zu. Erstaunt sah er, daß die Trauer aus ihren Augen
gewichen war. Er fühlte es förmlich, daß dieses Wesen
danach lechzte, tätig zu werden. In solchen jungen Jahren, ging
es ihm durch den Sinn, brauchte es nicht viel, um Kummer und Sorgen
zumindest vorübergehend abzustreifen. Und er erkannte mit der
impulsiven Freude des einfachen Mannes, daß er mit seinem
Bericht Adelheids Lebensgeister geweckt hatte und sie sich vor eine
Aufgabe gestellt sah, die sie spontan zu erfüllen gedachte, um
wenigstens für eine Weile der lähmenden Lethargie zu
entfliehen.
    "Empfange
du den Fremden", sagte sie, zwar noch immer ernst, jedoch in
freundlichem Ton. "Aber sei zurückhaltend bei dem, was er
erzählt. Frage ihn aus! Du weißt, wir müssen uns
schützen - leicht kann einmal ein Spion unter solchen Besuchern
sein. Er soll nicht wissen und nicht sehen, wie gering unsere
bewaffnete Burgmannschaft an Köpfen ist. Laß ihn bewirten,
sobald du weißt, was er von uns will, und während er sein
Mahl verzehrt, kommst du wieder hierher und berichtest mir."
    Bartholomäus
verbeugte sich mehrmals wortlos und recht ungelenk, während er
den Raum verließ. Er war regelrecht in Schweiß geraten,
als er die durchgedachten Verhaltensmaßregeln vernahm, die ihm
die Herrin, ohne lange überlegen zu müssen, erteilt hatte,
und das so unbefangen, als habe sie schon immer auf diese Weise über
die Burg geherrscht.
    Inzwischen
hatte der Torwächter die Fallbrücke gesenkt und den Fremden
eingelassen. Als Bartholomäus in den Burghof trat, sah er sich
einem dicken Mann um die Dreißig gegenüber, dessen
staubbedeckter grauer Umhang vermuten ließ, daß er einen
weiten Weg hinter sich hatte. Während der Alte auf den
Unbekannten zuging, der die Kapuze seines Überwurfs
zurückgeschlagen hatte, musterte er dessen feistes und und
verschwitztes Gesicht. Er sah in zwei kleine blaßblaue Augen,
die hurtig hin und her wanderten. Offensichtlich versuchte der
Ankömmling, sich rasch einen Eindruck von der Burganlage zu
verschaffen.
    "Gott
zum Gruß, Fremder", empfing Bartholomäus den Besucher
in zurückhaltendem Ton. "Was führt Euch in diese
abgelegene Gegend?"
    Bevor
der Fremde antwortete, verbeugte er sich mindestens fünfmal, so
daß Bartholomäus

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