Die Klinge des Löwen 03
schon fürchtete, er würde
überhaupt nicht mehr damit aufhören. Beruhigend faßte
er ihn am Arm und nickte ihm aufmunternd zu.
"Verzeiht,
Herr, daß ich so einfach hier eingedrungen bin!" Abermals
fing der Fremde an, sich zu verbeugen. Bartholomäus wurde das
Schauspiel lästig, zumal einige Mägde aus dem Gesinde
beisammenstanden und die Szene mit unverhohlener Neugierde
beobachteten, wobei sie tuschelten und kicherten.
"Zunächst
einmal, laßt den 'Herrn' in der Tasche, Fremder", sagte er
jetzt mit Nachdruck. "Ich bin nur ein einfacher Großknecht.
Also, faßt Euch und sagt, was Ihr begehrt!"
Die
Tatsache, daß er keinen Edelmann vor sich hatte, schien die
Zunge des Unbekannten endlich zu lösen. Umständlich begann
er sich zu erklären: "Ja, nun, es ist so, daß ich aus
dem Renchtal stamme. Ich..." Er verstummte und nahm einen neuen
Anlauf. "Ich werde Eckbertus genannt und habe einen bescheidenen
Bauernhof betrieben, bis die Slawen ihn mir über dem Kopf
anzündeten."
Er
breitete mit betrübter Miene die Arme aus. "Alles verbrannt
- alles! Meine Leute, mein Vieh...alle tot."
"Ja,
aber, sagt mal, wieso hat es Euch hierher in diese abgelegene Gegend
verschlagen?" fragte Bartholomäus mißtrauisch.
Der
Fremde hatte jetzt Tränen in den Augen. "Die Slawen haben
mich verfolgt und ich versteckte mich vor ihnen im wilden Wald da
draußen..." Er machte eine unbestimmte Bewegung. "Also,
ich versteckte mich, bis sie weg waren. Da bin ich dann auf den Weg
hier gestoßen und habe mir gesagt, Eckbertus, habe ich mir
gesagt, dieser Weg führt dich zu guten Menschen."
Bartholomäus
betrachtete forschend das Gesicht des anderen, dessen Augen ihm jetzt
beständig auswichen. "So, so. Das habt Ihr dem Weg wohl
angesehen! Wo habt Ihr denn Euer Pferd gelassen - oder seid Ihr zu
Fuß unterwegs - von so weit her?"
"Ja,
jetzt bin ich zu Fuß...gezwungenermaßen. Mein Roß
lahmte, und da mußte ich es zurücklassen."
"Und
was gedenkt Ihr jetzt zu tun?"
"Ah,
ich werde wohl weiterwandern...zu Verwandten, versteht Ihr? Ich habe
Verwandte da oben in den Bergen." Wieder eine unbestimmte
Bewegung und dann eine schnelle Frage: "Habt Ihr genügend
Krieger, um die Burg zu schützen? Ich meine, gegen
Slawenüberfälle..."
"Wir
werden mit jedem Feind fertig", antwortete Bartholomäus
kurz angebunden.
"Ja,
das ist gut", sagte der Fremde und ließ seine Augen
neugierig an den Mauern entlangwandern. "Ich sehe aber kaum
einen Bewaffneten!"
Bartholomäus
ging auf die letzte Bemerkung nicht ein, sondern legte die Rechte auf
die Schulter des Fremden und sagte eingedenk der Anordnung seiner
Herrin: "Ihr seid sicher ermüdet von den Strapazen und
hungrig obendrein. Kommt, unsere Köchin wird Euch einen Imbiß
zurechtmachen, damit Ihr wieder zu Kräften kommt. Denn die
braucht Ihr für den langen Marsch ins Gebirge."
"Ja,
wenn Ihr meint...", entgegnete der Dicke unsicher, wobei seine
kleinen Augen unstet hin und her huschten, als ob sie nach einem
Fluchtweg suchten. Der Großknecht fackelte nicht lange, faßte
den Besucher unter und zog ihn mit gelindem Zwang in Richtung Küche.
Dort übergab er ihn der Obhut von Karolina, Dietrichs
Haushälterin auf seinem einstigen Hofgut, die jetzt als Köchin
auf der Thiersburg wirkte. Danach eilte der Alte schnurstracks zu
Adelheid.
"Nun?"
sagte sie, und diesmal lächelte sie ihn so strahlend an, daß
er meinte, ein Sonnenstrahl habe ihn getroffen. "Was hast du
erfahren?"
Bartholomäus
berichtete, was er von dem Fremden vernommen hatte, während sie
aufmerksam, aber schweigend zuhörte. Währenddessen wurde
ihre Miene zusehens ernster, und als er geendet hatte, sagte sie:
"So, nach unseren Kriegern hat er gefragt! Was meinst du, was
das bedeutet?"
Der
Großknecht wiegte skeptisch den Kopf. "Schwer zu sagen.
Entweder die Angst vor den Slawen steckt so tief in ihm, daß er
sich versichern wollte, hier nicht vom Regen in die Traufe zu
geraten, oder er ist darauf aus, die Leute auszuhorchen, wobei ich
mir allerdings nicht denken kann, welchen Vorteil er sich davon
verspricht."
Adelheid
nickte und sah ihn mit ihren leuchtenden Augen schweigend an, daß
es dem Alten ganz warm ums Herz wurde. Er konnte nicht wissen, daß
es eine ihr selbst nicht bewußte Eigenheit war, den
Gesprächspartner mit ihrem Blick festzuhalten, ohne ihn wirklich
ins Auge zu fassen. Denn während hinter ihrer klaren Stirn die
Gedanken kreisten und sie scharf nachdachte, schirmte sie sich
unbewußt gegen alle Eindrücke aus der
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