Die Klinge des Löwen 03
hinten, in einem dunklen
Winkel seines Gehirns, lag ein Samenkorn, das der Sturm dieser
schweren Zeit dort abgelagert hatte. Noch keimte es nicht, aber so,
wie es aussah, war das nur eine Frage der kommenden Umstände.
Denn die Pflanze, die daraus hervorgehen würde, trug den üblen
Namen "Verrat".
Hacko
dachte in letzter Zeit öfters an jene fernen Tage zurück,
als mit seinem ertragreichen Handel ein Einkommen verbunden war, das
ihm ein gutes Leben ermöglichte. Das alles war vorbei. Nachdem
er keine Waren mehr verkaufte, konnte er auch seinen Lebensunterhalt
nicht mehr auf die gewohnte Weise bestreiten. Trotzdem beschäftigte
ihn die Erinnerung daran unaufhörlich, denn das angenehme Leben,
das er vorher führte, hatte sich tief in sein Gedächtnis
eingegraben.
Solche
Gedanken waren der Dünger, der aus dem Samenkorn in seinem Hirn
wohl bald einen Keimling wachsen ließ! Warum auch, fragte er
sich immer häufiger, sollte er sich weiterhin mit den
Flüchtlingen abgeben? Inzwischen waren nur noch wenige darunter,
die ihn in der einen oder anderen Form für seine Hinweise
entlohnen konnten. Warum sollte er sein Wissen über jene Burgen,
die den Eroberern trotzigen Widerstand leisteten, nicht den Slawen
gegen Silber verkaufen...?
Vor
allem aber beschäftigte sich sein nimmermüdes Gehirn mit
der Idee, sein Handelsgeschäft mit Hilfe der Slawen wieder auf
die Beine zu stellen. Warum sollte es nicht möglich sein, von
dem Slawenführer für die Hinweise, die er ihm lieferte,
statt Geld einen Erlaubnisschein zu erhalten, der es ihm gestattete,
wieder Handel zu treiben? Natürlich war es für ihn in
diesen Kriegszeiten unmöglich, Gewürze wie Pfeffer, Zimt
und Nelken, orientalische Teppiche oder Farbstoffe aus Afrika zu
beschaffen. Aber er konnte wieder mit dem begehrten Salz handeln, das
mit Gold aufgewogen wurde, weil die Leute es brauchten, um Fleisch
haltbar zu machen; er wußte, wo er Wein auftreiben konnte, um
ihn an begüterte Edelleute zu verkaufen; Messer, Scheren und
Nadeln waren gefragt - auch sie konnte er beschaffen und anbieten.
Vielleicht kam er auch wieder an spanische Früchte, an Safran
und dergleichen mehr! Das einzige, was er brauchte, war so ein
niedlicher kleiner Erlaubnisschein mit dem Siegel des slawischen
Heerführers, den er jedem seiner Krieger unter die Nase halten
konnte, wenn er auf künftigen Fahrten mit dem Planwagen
angehalten wurde.
Noch
hatte er den Verrat an seinen Landsleuten nicht begangen, aber wenn
ihn der Hunger zwingen sollte...
*
Die
Gedankengänge Hackos kannte Adelheid zwar nicht, aber sie
gehörte zu den wenigen Menschen, die es sofort fühlen, wenn
etwas nicht in Ordnung ist. Seit dieser Fremde die Burg betreten und
wieder verlassen hatte, lebte sie in einer gewissen Unruhe. Aber
trotz allem hatte dessen Auftauchen für sie auch etwas Gutes
bewirkt. Da sie zum erstenmal gefordert war, eine Entscheidung zu
fällen, die über den gewöhnlichen Tagesablauf
hinausreichte, weil es die Sicherheit der Burg betraf, hatte dieser
Anlaß eine Art Umstimmung in ihrem Gemüt hervorgerufen.
Ihr war bewußt geworden, daß Bartholomäus eine klare
Antwort von ihr auf die Frage erwartete, wie er sich dem ungebetenen
Besucher gegenüber verhalten sollte, damit dieser die Schwäche
der Burg nicht bemerkte. Ohne es zu ahnen, hatte er sie praktisch
gezwungen, ihre lähmende Melancholie zurückzudrängen.
Und auf einmal hatte sie erkannt, wie verheerend es sich nicht nur
auf sie, sondern auf alle von ihr abhängigen Menschen auswirken
mußte, wenn sie sich zurückzog und in der Einsamkeit ihrer
Kemenate den niederdrückenden Gedanken freien Lauf ließ.
Dieser
zwielichtige Fremde hatte durch sein Erscheinen den zündenden
Funken in ihr Gemüt geworfen, der ihre seelischen Kräfte
entfachte. Zuerst war es nur ein schwächliches Feuer, das nahe
daran war, wieder zu erlöschen. Es gab nach wie vor Tage, da
schloß sie sich ein und trauerte um ihre Jugend, die in dumpfer
Trübnis zu versinken drohte. Ohne Gemahl, ohne die Gegenwart
ihrer Eltern, ohne Freunde und ohne Aussicht auf Änderung sah
sie sich einem Schicksal ausgeliefert, wie es Frauen erlebten, die
man wegen irgendwelcher Verfehlungen in ein Kloster verbannt hatte.
Aber
gleichzeitig spürte sie, daß solche bedrückenden
Gedanken nicht mehr die Kraft hatten, sie vom Leben um sie herum
abzuhalten. Sie fand einen Weg, wie sie die dunklen Anwandlungen
eindämmen konnte. Jedesmal, wenn diese Stimmung sie zu
überwältigen drohte,
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