Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
erblasste.
»Herrgott«, murmelte Gabriel. »Schneller als ein Soldat bei seiner ersten Nutte.«
Bei diesen Worten drehte sich Tsend zu Gabriel um und lachte schallend. »Du bist als Nächstes dran, englischer Dummkopf.«
Gabriel hätte beinahe zurückgegiftet, aber ihm fiel gerade noch rechtzeitig ein, dass nur Feiglinge und Maulhelden ihre Gegner verspotteten. Je mehr ein Mann prahlte und höhnte, desto ängstlicher war er. Also schritt er wortlos auf den Ring zu.
»Warte, Gabriel«, rief Thalia hinter ihm. Sie packte seinen Arm.
Er versuchte, sich zu beherrschen, und drehte sich zu ihr um. »Du musst daran glauben, dass ich gewinnen kann«, sagte er leise. »Du musst mir vertrauen.«
»Ich vertraue dir ja«, antwortete sie sofort, was ihn beruhigte. »Aber ich weiß nicht, ob du gegen jemanden gewinnen kannst, der betrügt.« Sie sah bedeutungsvoll zu Tsend, der den Blick zu den Bergen in der Ferne schweifen ließ und überdeutlich machte, dass er sich langweilte.
»Betrügt?«, wiederholte Gabriel. »Ich verstehe nicht, wie. Wir haben alle gesehen, wie er den anderen Ringer auf den Boden geworfen hat. Er hat keine Zaubersprüche eingesetzt. Er trägt auch kein Amulett oder so etwas.«
»Man braucht keinen Zauberspruch oder einen Gegenstand, um Magie anzuwenden. Sieh.« Sie machte eine unauffällige Geste und Gabriel folgte ihrem Hinweis. »Er trägt keine Stiefel.«
»Das ist ein Nachteil. Dadurch hat er weniger Halt.«
»Nicht wenn die Magie, die er einsetzt, nur barfuß funktioniert. Ich habe es gerade entdeckt. Er hat das Zeichen des Antaeus auf die Fußsohlen gemalt.«
Das klang nicht sehr vielversprechend.
»Hat deine Frau zu viel Angst um dich?«, rief Tsend.
Gabriel blickte den Mongolen mit finsterem Blick an, ignorierte ihn jedoch. Unter den Zuschauern kam Unruhe auf. »Sag mir, was das ist und wie ich mich dagegen wehren kann«, bat er Thalia.
»Antaeus ist ein Riese der griechischen Mythologie. Er zog seine Kraft aus der Berührung mit der Erde«, erklärte sie rasch. »Niemand konnte ihn besiegen, denn jedes Mal, wenn er hinfiel, stand er gestärkter wieder auf. Nur Herakles schaffte es, ihn zu überwältigen, indem er ihn so lange in der Luft festhielt, bis seine Kraft verpufft war. Wenn man das Zeichen des Antaeus dort auf die Haut malt, wo sie den Boden berührt, überträgt sich die Kraft des Riesen auf den Träger. So hat Tsend den anderen Kämpfer geschlagen.«
»Ihr müsst jetzt eure Positionen einnehmen«, verkündete Bold.
Gabriel entfernte sich von Thalia und hörte, wie sie panisch hinter ihm herrief: »Es ist unmöglich, ihn zu schlagen.«
»Seit ich dir begegnet bin, habe ich gelernt«, entgegnete Gabriel über seine Schulter hinweg, »dass nichts unmöglich ist.«
Am späten Nachmittag stand die Sonne tief am Himmel. Kein Wind strich durch die Gräser und Blumen am Rand des Feldes. Selbst das leise Schnauben der Pferde und das Blöken der Schafe verstummten, als Hauptmann Huntley und Tsend gegeneinander antraten. Die Welt schien zu wissen, was auf dem Spiel stand, und den Atem anzuhalten, als je ein Vertreter der Klingen der Rose und der Erben von Albion in den weiten Steppen der Mongolei um den Zugang zur magischen Quelle kämpften.
Lamb hatte einen Falken als Spion in das Ail der roten Blumen geschickt. Der Vogel hatte herausgefunden, dass der Preis des Stammes aus einem riesigen Rubin bestand. Mit Sicherheit war der Edelstein das, wonach die Erben gesucht hatten. Sie schickten Tsend los, um ihn zu gewinnen.
Nachdem Huntley und Tsend kurz den Tanz des Phoenix’ aufgeführt hatten, hockten sie einander gegenüber. Tsend grinste einfältig und war sich seiner Überlegenheit sicher. Selbst wenn der Engländer von dem Zeichen des Antaeus auf seinen Fußsohlen wusste, konnte er nichts dagegen ausrichten. Das Zeichen verschaffte ihm Macht. Unüberwindbare Macht. Der Engländer hatte keine Chance, Tsend zu überwältigen, es sei denn, er nutzte seine eigene Magie. Doch der blonde Mann starrte ihn bloß an und zeigte keinerlei Angst. Was für ein Narr. Es gab immer einen Grund, sich zu fürchten.
Der Engländer und er legten sich gegenseitig die Hände auf die Schultern, und die Kraft, die er bei seinem Gegner spürte, überraschte Tsend auf unangenehme Weise. Er sagte sich, dass das keine Rolle spielte. Selbst wenn sein Gegner der stärkste Mann der gesamten Mongolei wäre, könnte er Tsend nicht besiegen. Er freute sich schon darauf, den Mann vor den Augen der
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