Die Knickerbocker Bande 23 - Die Drachen-Dschunke
sich nur unweit von Peking und war als Schutzwall vor 600 Jahren errichtet worden. Die Mauer war rund sieben Meter hoch und fünf Meter breit. Ein Weltrekord war ihre Länge: 5.000 Kilometer. Wie eine steinerne Schlange zog sie sich durch die Landschaft, kroch über Hügel und hinab in Täler. Immer wieder wurde behauptet, man könne die Chinesische Mauer sogar vom Mond aus auf der Erde sehen. Beweise gab es dafür aber keine.
Erasmus von Kellermann setzte seine Erzählung fort: „Unter einem Wachturm der Mauer soll sich ein Abgang in eine Höhle befinden. In ihr gibt es sieben steinerne Sockel. Auf jedem sind vier Pfotenabdrücke zu sehen. In diese Abdrücke passen die Pfoten von sieben verschiedenen Drachen, die vor rund 600 Jahren von chinesischen Künstlern erzeugt worden sind. Wer alle sieben Drachen findet, hat eine unfaßbare Möglichkeit. Stellt er sie in die Sockel, kann er ein Erdbeben von unglaublicher Stärke auslösen. Die Mauer würde nicht nur einstürzen. Dort, wo sie sich befindet, würde die Erde aufreißen und ein metertiefer Graben entstehen. Große Teile des Landes würden erschüttert werden. Peking wäre in größter Gefahr.
Das Erdbeben tobt, so lange alle sieben Drachen auf den Podesten stehen. Wird nur einer fortgenommen, hört es angeblich wieder auf. Aber dauert es lange, so liegt die Stadt Peking in Trümmern. Und ... es könnte noch viel schlimmer kommen.“
„Noch schlimmer? Was kann noch schlimmer sein?“ fragte Poppi außer sich. „In dieser Gegend befinden sich auch Atomkraftwerke. Stellt euch vor, wenn eines leck wird und atomar verseuchter Dampf und Wasser austreten. Die Katastrophe wäre perfekt! Oder denkt an die Staudämme. Sie könnten bersten und Täler überfluten!“
Nein, das wollten sich die Knickerbocker nicht vorstellen. „Wird aber auch nur ein einziger falscher Drache auf ein Podest gesetzt, dann ergeht es demjenigen schlecht, der die Höhle betreten hat. Die Podeste stehen nämlich auf einer Art Waage, die den feinsten Unterschied sofort wahrnimmt. Der geheimnisvolle und bisher noch immer unerklärbare Mechanismus, der die Erde zum Beben bringt, würde für immer verriegelt werden. Dafür würde die Höhle einstürzen und die Drachen und den Menschen begraben.“
„Das . das klingt alles . wie der blanke Wahnsinn! Ich meine, wer hat diesen . Erdbeben-Auslöser gebaut?“ wollte Lieselotte wissen. „Niemand! Er wurde entdeckt. Beim Bau der Mauer scheint ihn ein Wissenschaftler von damals entdeckt zu haben. Er wollte ihn nicht zerstören, aber nur schwer in Gang setzbar machen. Deshalb hat er die sieben Drachen anfertigen lassen und die Podeste gebaut. Danach ließ er die Figuren über das ganze Land verstreuen. Der Rote Drache - wer auch immer sich hinter diesem Namen versteckt - hat sie gesucht und ... vielleicht alle schon wiedergefunden.“
Axel verstand etwas nicht. „Herr Erasmus ... ich meine ... Herr von Kellermann, wenn Sie das wissen, wieso tun Sie nichts?“ Der Segler hob entschuldigend die Arme. „Weil ich keine Beweise habe und mich nicht lächerlich machen möchte. Vielleicht wohnt an Bord der Dschunke auch nur ein harmloser Spinner, der einen grünhaarigen Dackel als Haustier hält. Irgend jemand hat das Tier gesehen und für einen Drachen gehalten. Schon war das Gerücht perfekt. Versteht ihr?“
Die Knickerbocker verstanden genau. Aber sie wußten auch, daß die Sache überprüft werden mußte. „Ist der Rote Drache bewaffnet oder schwer bewacht?“ erkundigten sie sich. Herr von Kellermann hob immer wieder die Arme. „Wenn ich das wüßte“, meinte er. „Warum sind Sie noch nie in der Nacht zu der
Dschunke gefahren und heimlich an Bord geklettert?“ fragte Dominik. Wieder hob der Weltumsegler die Arme. „Warum, warum, warum, vielleicht fehlt mir der Mumm!“ Er lachte über seinen Reim. „Wir ... wir müssen jetzt gehen. Draußen warten unsere Freunde“, fiel Poppi ein. „Danke für die Colas. Sind Sie morgen wieder hier?“ Der Mann nickte und winkte den vier Freunden zum Abschied.
Axel, Lilo, Poppi und Dominik stürmten hinaus und stutzten. Der Platz hinter den Fässern war leer. Li, Jun und Kwan-Ling waren fort. Aber sie würden doch nie ohne die Knickerbocker weggehen. „Die Frau . das ist der Rote Drache . sie hat sie . sie hat sie entführt!“ stieß Lieselotte heraus. Die Bande rannte in die Kneipe zurück, und alle vier redeten gleichzeitig auf den überraschten Mann ein. Herr von Kellermann war entsetzt. „Das
Weitere Kostenlose Bücher