Die Knickerbocker Bande 28 - Titanic, Bitte melden
„Redet mit dem Kapitän!“ riet er ihr schließlich. Aber von diesem Vorschlag hielt Poppi wenig. Sie konnte diesen Mann nicht ausstehen. Er war ihr unsympathisch.
Die Junior-Detektivin hatte den Auftrag, ihren daheim gebliebenen Kumpel noch um etwas anderes zu ersuchen. „Dominik, ich sage dir jetzt einen Namen. Er lautet John Herman. Dieser Mann lebt angeblich in London. Ich gebe dir seine Adresse durch. Schreib auf: 23 Rochester Street, London Victoria. Bitte, finde bei der Fernauskunft heraus, ob der Mann eine Telefonnummer hat und ruf dort an. Versuch, irgendwie festzustellen, was er von Beruf ist. Verstanden?“ Ja, Dominik hatte verstanden. „Wie lange wirst du brauchen?“ fragte Poppi. Der Junge brummte etwas von: „Kleinigkeit, maximal eine Stunde. Du kannst noch heute anrufen!“
Poppi verabschiedete sich und legte auf. Langsam schritt sie in den Vorraum des Speisesaals, wo Cocktails gereicht wurden. Alle Damen hatten sich in lange, elegante Abendkleider gezwängt, und die Herren - sogar Herr Schroll, der Skilehrer - steckten in dunklen Anzügen. Selbst die Knickerbocker-Bande hatte ausnahmsweise ihre Jeans und Sweater gegen schicke Kleider getauscht.
Die drei Freunde zogen sich in eine stille Ecke zurück, und Axel und Lieselotte ließen sich von Poppi Bericht erstatten. Sie waren einigermaßen darüber entsetzt, was Dominik herausgefunden hatte. „Wir sitzen übrigens am Kapitänstisch“, verkündete Lieselotte. „Ich habe das eingefädelt, weil wir auf diese Art mit dem Kapitän ein wenig ins Gespräch kommen können. Wir müssen ihm von unseren Entdeckungen erzählen und mehr über die Fracht rauskriegen!“
Die Doppelflügeltür am Ende des Raumes wurde geöffnet, und der Kapitän bat, in den Speisesaal einzutreten.
Dominik lag unterdessen zu Hause im Bett und wartete, bis die Dame bei der Fernauskunft die Telefonnummer von John Herman in Erfahrung gebracht hatte. Es dauerte fast fünf Minuten, bis sie sich endlich meldete. „Wenn Sie bitte notieren würden“, zwitscherte sie. „Was soll ich sonst machen? Die Nummer in mein Taschentuch schneuzen oder mit Blut auf die Tapete kritzeln?“ maulte der Junge. Er schrieb die Nummer auf, dankte und legte auf.
Warum sollte er es nicht sofort versuchen? Dominik drückte auf die EIN-Taste des kabellosen Telefons, das er bei seinem Bett hatte, und wählte die Londoner Telefonnummer. Zwei kurze Brummtöne kamen vom anderen Ende der Leitung. Das war das englische Freizeichen. Siebenmal wiederholten sich die Brummtöne, aber keiner hob ab. „Noch ein letztes Mal, dann lege ich auf!“ beschloß der Junge. Eins, zwei...! Nichts, es war keiner daheim. Dominik wollte gerade die AUS-Taste drücken, als schließlich doch ein Klicken ertönte.
Eine Frauenstimme meldete sich. Sie klang nicht gerade erfreut über die Störung. Hatte Dominik sie vielleicht aus dem Schlaf gerissen? Der Knickerbocker kramte seine Englischkenntnisse zusammen und fragte nach Mister John Herman. Die Antwort, die er bekam, zuckte wie ein glühender Blitz durch seinen Bauch. „He is dead!“ knurrte die Frau. Er war also tot! „When did he die?“ Dominik erkundigte sich, wann Mister Herman gestorben war. „Three months ago!“ Vor drei Monaten, lautete die Antwort. Der Junior-Detektiv stammelte etwas von „Es tut mir leid, Verzeihung!“ und legte auf.
Wie ein Kuscheltier preßte er den Hörer an seine Brust. Seine Freunde waren auf einem Unglücksschiff, wo bereits die Geister Verstorbener vor dem drohenden Unheil warnten. Außerdem schienen sie es dort mit einem Mann zu tun zu haben, der vor drei Monaten verstorben war. Am liebsten hätte der Junge seine Kumpel auf der Stelle zurückgeholt, aber das war nicht möglich. Sie steuerten mit 22 Knoten in der Stunde geradewegs einer Katastrophe entgegen. Natürlich konnte er sich irren. Diesmal hoffte er das sogar.
Ungeduldig wartete er auf Poppis Anruf. Wie sollte er ihr schonend beibringen, was er in Erfahrung gebracht hatte?
Totentanz
Das Essen verlief in einer gedrückten, gespenstischen Stimmung. Der Grund dafür war der Nebel, der aufgezogen war. Unablässig ertönte das Nebelhorn des Schiffes und ließ besonders schreckhafte Fahrgäste wie Poppi jedesmal zusammenzucken. Immer wieder warfen die Damen und Herren ängstliche Blicke durch die hohen Fenster in die dunkle Nacht. Verbarg sich im Nebel eine Gefahr? Steuerte das Schiff einem Eisberg entgegen, den es rammen würde wie einst die echte „Titanic“?
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