Die Knickerbocker Bande 35 - Die Geisterreiter
schrie Lilo und trommelte mit beiden Fäusten gegen den Fensterladen. Abermals äugte sie durch die Ritzen und sah zu ihrer großen Freude, daß sich die Beine in Bewegung setzten. Sie verließen das Bett und torkelten Richtung Gang.
Schnell lief das Oberhaupt der Bande zur Eingangstür, klingelte und klopfte und rief. Da drehte sich der Schlüssel im Schloß, und die Tür wurde aufgestoßen.
Lieselotte erschrak, als sie das Mädchen - das ungefähr so alt wie sie sein mußte - vor sich sah. Ulrikas Haar klebte schweißnaß an ihrem Kopf, und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten. Die Lider waren halb geschlossen, und das Mädchen schien große Mühe zu haben, wach zu bleiben.
„Du... hallo... du?“ Mehr brachte Ulrika nicht heraus.
„Was ist mir dir los? Was hast du?“ fragte Lilo besorgt. „Bist du krank?“
Ulrika reagierte nicht. Lieselotte packte sie an den Schultern und rüttelte sie. „Ulrika, du hast die Geisterbotschaften selbst geschrieben. Und den Spuk im Eishaus hast du auch inszeniert. Wozu das alles?“
Ulrika würgte. Ihre Kehle schien völlig ausgetrocknet zu sein. „Ich muß ins Bett!“ krächzte sie und taumelte zurück ins Haus. Sie tastete mit den Händen über die Türen, als wäre sie blind, und ging sogar an ihrem Zimmer vorbei. Sie torkelte bis zum Ende des Ganges, rüttelte an der Tür, die sich dort befand, und machte dann mit der Hand eine hilflose Bewegung. „Falsch... falsch... hier darf ich nicht hinein. Nie... dahinter... das große Geheimnis!“ seufzte sie.
Lieselotte trat zu ihr und betrachtete die Holztür. „Was heißt das?“ wollte sie wissen.
„Diese Tür... immer abgeschlossen. Seit ich in dieses Haus gekommen bin, war sie immer versperrt. Ich habe keine Ahnung, was sich dahinter verbirgt.
Paul und Priscilla haben es mir nie verraten. Wahrscheinlich ist es eine Kapelle, in der sie ihre schwarzen Messen abhalten, um uns alle ins Verderben zu stürzen!“
Lilo führte das Mädchen auf sein Zimmer. Dort ließ sich Ulrika sofort auf das Bett sinken. Sie atmete schwer.
„Was redest du da? Warum hast du dieses Theater veranstaltet? Was hast du mit dem Geisterreiter zu tun?“ wiederholte Lieselotte ihre Fragen.
„Der Geisterreiter... ist gekommen... um mir zu helfen... die blutigen Botschaften... schon lange... damit sie mich endlich gehen lassen.“
„Auf die teure Schule? Ist das nicht ein sehr übertriebenes Druckmittel?“ rief Lieselotte aufgebracht.
„Schule...? Ich will in ein Heim. In ein Waisenheim... weg von hier! Wie oft soll ich das noch sagen?“
Lilo war klar, daß Ulrika sehr krank sein mußte. Sie brauchte einen Arzt. Das Superhirn lief ins Vorzimmer, wo sie ein Telefon gesehen hatte. Aber die Leitung war tot. Der gleichmäßige Brummton, der in England ertönte, wenn man abhob, war nicht zu hören. Lilo hämmerte mit den Fingern auf die Gabel, aber kein Laut kam aus dem Hörer.
„Ulrika, du bleibst da. Ich hole Hilfe. Ich hole deine Eltern!“
„Sie sind nicht meine Eltern. Sie sind böse!“ schrie das Mädchen verzweifelt und preßte den Kopf in das Kissen. Ulrika begann zu heulen, und bald wurde ihr Körper von Schluchzern geschüttelt.
Das Mädchen mußte wirklich verrückt sein. Das stand nun auch für Lilo fest. Sie riß die Tür auf und stürmte in die Nacht hinaus. Gerade, als sie sich aufs Fahrrad schwingen wollte, traf sie ein schneller, harter Schlag auf den Kopf. Sie verlor das Bewußtsein. Zwei starke Arme fingen sie auf und verhinderten, daß sie zu Boden stürzte.
Auf dem verfallenen Bauernhof standen Axel, Poppi und Dominik noch immer gebannt vor dem Haus. Sie konnten den Blick nicht vom Stallfenster wenden, aus dem gespenstisches grünliches Licht fiel. Es war das Licht, das vom Geisterreiter und seinem Pferd ausging und das sie in den letzten Tagen schon mehrfach gesehen hatten.
„Kommt, nichts wie weg!“ sagte Poppi leise und zog die Jungen am Ärmel.
Aber Axel und Dominik bewegten sich nicht.
„Nein, Poppi. Wir waren doch im Stall: da war kein Geisterpferd drinnen - nur ein normaler Gaul. Warum leuchtet er jetzt? Wie gibt es das? Ich will das jetzt wissen! Kommt, wenn wir zusammenbleiben, kann uns nichts geschehen!“ sagte Axel, obwohl er sich da selbst nicht so sicher war. Er versuchte nur, sich und seinen Freunden Mut zu machen.
Die drei packten einander an den Händen und näherten sich Schritt für Schritt dem Stall des Geisterpferdes.
„Dominik, du weißt, wo der Schalter ist: dreh das Licht
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