Die Knoblauchrevolte
umarmte sie ganz fest. Er fühlte, daß ihr weicher Bauch wie Feuer brannte. Mit gespitzten Lippen suchte er ihren Mund, aber sie hielt beide Hände vors Gesicht gepreßt, und ihre Lippen waren bedeckt. Gao Mas Mund berührte Jinjüs Ohr. Er biß sie ins Ohrläppchen und saugte daran. Ihr Haar streifte sein Gesicht. Die Kälte in seinem Körper schwand, tief in seinem Herzen begann eine Flamme zu sengen. Jinjü wand sich wie unter einem schwer zu ertragenden Reiz. Ihre Hände bekamen ein Eigenleben und legten sich um Gao Mas Hals. Wimmernd bat sie ihn: »Nicht ins Ohr beißen, das ist nicht schön.«
Gao Mas Mund glitt hinüber zu ihrem Mund. Er saugte an ihrer Zunge. Sie stöhnte. Zwei Rinnsale heißer Tränen rollten über ihre Wangen und benetzten beider Gesichter. Sie konnte ein Aufstoßen nicht unterdrücken. Gao Ma hatte plötzlich den Geschmack von Knoblauch und frischen Kräutern auf der Zunge.
Seine Hände fuhren wild über ihren Körper.
»Nicht so fest. Das tut weh, lieber Gao Ma.«
Sie setzten sich auf die sanfte Böschung des Grabens. Sie umarmten und streichelten sich. Zwischen den Ästen des Purpurquasts hindurch sahen sie die goldenen Sterne des Großen Wagens am tiefdunklen Himmelszelt. Die Sichel des neuen Mondes senkte sich. Ein von Menschenhand erbauter Satellit überquerte die Milchstraße. Die Luft war plötzlich erfüllt vom strengen Geruch des Purpurquasts.
»Was liebst du an mir?« fragte Jinjü und hob ihm ihr Gesicht entgegen.
»Ich liebe alles an dir.«
Die Nacht wurde kälter. In ihnen wurde es ruhiger. Sie unterhielten sich leise.
»Ich gehöre doch schon jemand«, sagte Jinjü zitternd, »ist es nicht unrecht, wenn wir zusammen sind?«
»Nein, wir tun nichts Unrechtes. Wir lieben uns.«
»Ich bin verlobt.«
»Gültig wird eine Ehe erst auf dem Standesamt.«
»Dann können wir also doch zusammensein?«
»Ja. Du mußt deinem Vater sagen, du bist nicht einverstanden, du machst diesen Tausch nicht mit.«
»Nein, nein«, stammelte Jinjü, »meine Eltern werden mich totschlagen. Sie haben so viel Mühe mit mir gehabt, als ich klein war.«
»Und deshalb willst du einen halben Greis mit Luftröhrenkatarrh heiraten?«
»Ich habe Angst«, weinte Jinjü, »meine Mutter sagt, wenn ich nicht einverstanden bin, nimmt sie Gift.«
»Sie will dich nur einschüchtern.«
»Du kennst meine Mutter nicht.«
»Sie will dich rumkriegen. Das ist alles.«
»Lieber Gao Ma, wie schön wäre es, wenn du eine jüngere Schwester hättest, dann könnte sie meinen Bruder heiraten, und ich würde im Gegenzug deine Frau.«
Gao Ma seufzte und streichelte ihre kalten Schultern. Seine Nase brannte.
»Lieber Gao Ma, wir können uns heimlich lieben, und wenn er gestorben ist, dann heirate ich dich.«
»Nein«, sagte Gao Ma. Er küßte sie und spürte wieder die Hitze ihres Leibes.
Ein großer haariger Mund erschien über ihren Köpfen und blies ihnen seinen kräftigen Atem, der nach frischem Gras roch, in den Nacken.
Sie erschraken fast zu Tode, bis sie begriffen, daß es das Fohlen war, das den Störenfried spielte.
3
Später gab Jinjü ihm den verhängnisvollen Heiratsvertrag zu lesen. Der Ort: bei Gao Ma zu Hause. Die Zeit: in der Mittagsstunde, einen Monat nach dem heimlichen Treffen im Purpurquast. Sie hatten sich seither fast jeden Abend verabredet, anfangs beim großen Graben, später in den Feldern der Umgebung. Die üppig wachsenden Getreidefelder waren ihr Versteck. Sie sahen, wie der Vollmond und der abnehmende Mond ihre Bahn über den Himmel zogen, der mal wolkenlos und mal bedeckt war. Die Getreidehalme wirkten wie mit Silberpuder bestäubt. Die Insekten zirpten. Kühle Tautropfen rollten über das Getreide und netzten die durstige Erde. Sie weinte, er lachte. Dann weinte er und sie lachte. Das Feuer der Liebe verzehrte ihre jungen Körper, ihre Augen leuchteten wie brennende Kohle. Jinjü wurde streng ermahnt. Gao Ma bekam von Onkel Vier ausgerichtet: In der Vergangenheit hat es zwischen unseren Häusern nie einen Streit gegeben, und auch in Zukunft muß Unrecht unterbleiben. Tue nichts Verwerfliches, das die Ehen anderer Leute gefährden könnte.
Jinjü kam zur Tür hereingehuscht wie ein Windstoß, sie blickte besorgt hinter sich, als ob sie einen Verfolger fürchtete. Gao Ma kam ihr entgegen und lud sie ein, sich auf den Rand des Ofenbettes zu setzen. Zitternd fragte sie: »Wenn jemand kommt?«
»Unmöglich.« Gao Ma goß abgekochtes Wasser in eine schwarze Schale und bot es ihr
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