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Die Knochenkammer

Titel: Die Knochenkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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geblieben war und mich beobachtete. »Weißt du was, Alex? Ich weiß, dass du dieses Wochenende keinen Rat von mir wolltest, aber ich liebe dich zu sehr, um es dir nicht zu sagen.«
    Ich lächelte in Erwartung des üblichen Vortrags darüber, dass ich zu viel arbeitete und mich zu sehr in das Leben meiner Opfer mit hineinverwickeln ließ.
    »Jake Tyler ist nicht der Richtige.«
    Ich versteifte mich und richtete mich im Sattel auf. Kein Wunder, dass Nina letzte Nacht nicht über ihn reden wollte.
    »Du weißt, dass ich Recht habe, Alex. Er ist zu egoistisch, zu distanziert. Du brauchst jemanden mit mehr Herz.«
    Ich grub meine Absätze in die Flanken des Pferdes und ritt über die Dünen zurück in den Wald. Der Wind hatte aufgefrischt, und ich konnte Nina in dem Glauben lassen, dass ich sie nicht gehört hatte.
    Ich schwieg auf der kurzen Autofahrt nach Hause, während das Autoradio die bedeutungsschwangere Stille zwischen uns ausfüllte.
    »Du sollst Mercer anrufen«, sagte Val, die uns an der Hintertür begrüßte. »Es ist dringend. Er ist in der Sonderkommission.«
    Ich wählte die Nummer, und Mercer Wallace antwortete. »Ich dachte, du solltest Bescheid wissen. Schlimme Geschichte. Vandomir ist hier bei mir. Das Mädchen, das ihr letzte Woche vernommen habt? Angel Alfieri?«
    »Ja, die Vierzehnjährige. Was ist mit ihr?«
    »Sie ist seit heute Nacht verschwunden. Sie sagte ihrer Mutter, dass sie bei einer Freundin übernachten und heute wieder zu Hause sein würde. Die Mutter rief vor einigen Stunden dort an, um zu fragen, ob sie rechtzeitig zum Abendessen kommen würde, und fand heraus, dass Angel nie dort gewesen war.«
    »Verdammt! Irgendwelche Vermutungen?«
    »Mrs. Alfieri war völlig aufgelöst, als sie hierher kam. Das Revier will noch keine Vermisstenanzeige aufnehmen.«
    Das war typisch. Man musste achtundvierzig Stunden vermisst sein, bevor die New Yorker Polizei etwas unternahm.
    »Habt ihr es schon im Covenant House versucht? Am Eighth Avenue Strip? Den Videospielhallen?« Jugendliche Ausreißer hatten ein regelrechtes Netzwerk in der Stadt und gingen oft schnurstracks zu den üblichen Treffpunkten.
    »Vandomir ist gerade dabei.«
    »Felix kann’s nicht sein. Er sitzt noch immer auf Riker’s.«
    Mercer zögerte mit der Antwort. »Du warst vielleicht zu sehr mit dem Mordfall beschäftigt, jedenfalls hast du vergessen, seine Kaution anzuheben. Er ist vor dem Wochenende aus der Haft entlassen worden.«
    Ich fluchte erneut. Ich hatte zu viel zu tun, und bei einer Sache den Überblick zu verlieren, das konnte die Entscheidung zwischen Leben und Tod bedeuten.
    »Ich, äh, ich könnte heute Abend zurückkommen. Ich kann mich sofort darum kümmern.«
    »Bleib, wo du bist! Du bist die Letzte, die sie sehen will. Ihre Mutter sagt, dass sie, seit sie bei dir war, von nichts anderem geredet hat, als davon, wie gemein du zu ihr warst. Sie denkt, dass es deine Schuld ist, dass das Mädchen davongelaufen ist. Ich habe nur angerufen, um dich zu warnen. Niemand will dich hier haben.«
    Ich flehte Mercer an, obwohl die Angelegenheit nicht in seiner Hand lag. »Bitte finde sie für mich! Finde sie, bevor ihr etwas passiert!«
    Wir hoben um sieben Uhr früh vom Vineyard ab, sobald sich der Nebelschleier über der kurzen Startbahn gelichtet hatte. Es war Montag, der siebenundzwanzigste Mai, Memorial Day.
    Quentin Vallejo nahm sein Flugzeug in Teterboro wieder in Empfang, um zurück nach Kalifornien zu fliegen. Ich begrüßte ihn, umarmte Nina zum Abschied und ging mit Val hinter den Zaun, wo Mike Chapman in seinem Auto auf uns wartete.
    Während er den Kofferraum öffnete, pfiff er einen bekannten Dylan-Song. Ich wusste, dass es »The Mighty Quinn« war, genauso wie ich wusste, dass er den Refrain umändern würde zu »… when Clem the Eskimo gets here, Alex Cooper’s gonna jump for joy«
    »Freut mich, dass du so gute Laune hast. Sieh zu, dass du bis heute Nachmittag einen Song findest, der sie nicht beleidigt, bevor sie überhaupt den Mund aufmacht. Hast du irgendetwas von Mercer über das vermisste Mädchen gehört?«
    »Noch immer keine Spur. Ebenso wenig vom Täter. Felix scheint die Stadt verlassen zu haben, sobald sein Bruder die Kaution hinterlegt hatte. Vom Winde verweht. Vandomir denkt, dass er Angel eventuell mitgenommen hat.«
    Mein Magen krampfte sich zusammen. »Oh. Können sie keine Ausnahme zu der Achtundvierzigstunden-Regel machen und eine Interstate-Fahndung rausgeben?«
    »Schon geschehen.

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