Die Knochenkammer
»Verrückt - ja. Meine Freundin - nein. Mike, das ist Shirley Denzig, die Frau, die mich seit letztem Winter verfolgt.«
»Ist das dein Ernst? Woher weißt du das?«
»Weil sie letzte Woche wieder angerufen und mir mitten in der Nacht Nachrichten auf meiner VoiceMail hinterlassen hat. Das Dezernat lässt gerade alle Anrufe auf meine Leitung zurückverfolgen. Morgen sollten die Resultate da sein, aber jetzt bin ich schneller.« Ich deutete auf die Uhrzeiten der Telefonate, die sich mit den Nachrichten auf meiner VoiceMail deckten. »Bisher dachte die Polizei, sie hätte nur einen Fall von Belästigung. Sieht so aus, als ob man sie jetzt auch wegen schweren Diebstahls belangen kann. Das heißt, drei schwerer Diebstähle.«
»Wissen Sie, wo wir sie finden können?«, fragte Rocco.
»Das ist unser Problem. Sie muss sich diesen Trick hier ausgedacht haben, weil sie einen Unterschlupf brauchte. Wir konnten sie im Winter nicht finden, weil sie ihre Wohnung räumen musste. Was hat sie gehabt - insgesamt drei Wochen unter Ihrem Dach in den letzten Monaten? Haben Sie noch andere Hotels kontaktiert, um zu sehen, ob sie das auch woanders gemacht hat? Es ist ziemlich clever. Wahrscheinlich zieht sie von Hotel zu Hotel. Eine Nacht als Prostituierte, und dann lebt sie eine Woche lang wie eine Königin.«
»Ist sie so labil?«
»Rocco, sie ist nicht nur durchgeknallt, sie hat auch eine Waffe.«
»Sag das nicht zu laut«, witzelte ich. »McKinney wird Ellen Gunsher und ihre neue Waffeneinheit darauf ansetzen.«
Shirley Denzig verfolgte mich seit über einem halben Jahr. Sie hatte aus dem Haus ihres Vaters in Baltimore eine Waffe gestohlen, und wir befürchteten, dass sie instabil genug war, um tatsächlich davon Gebrauch zu machen.
»Haben Sie eine Akte über sie?«
»Natürlich.« Ich gab Rocco die Nummer der Detectives bei der Bezirksstaatsanwaltschaft, die den Fall bearbeiteten. Sie würden sich über die vielen Informationen aus den WaldorfUnterlagen freuen, die ihnen über Shirley Denzigs jüngsten Verbleib Aufschluss gaben. »Darf ich Sie fragen, warum Sie sich an meinen Vorgesetzten gewandt haben, anstatt mich direkt anzurufen?«
»Es kam mir einfach nicht in den Sinn. Sie rief Sie so oft an, dass ich dachte, Sie müssten eine gute Freundin von ihr sein. Die Einzige, die sie hat. Wie hätte ich mir denken sollen, dass sie Sie belästigte?«
Der Anruf von Rocco heute Morgen wäre ein Grund mehr für McKinney zu denken, dass ich meines Arbeitspensum nicht mehr Herr wurde. Ich konnte entweder ins Büro fahren und mir die Zeit nehmen, ihm die Sache zu erklären, oder den Tag wie geplant fortsetzen. »Sollen wir hinüber zum Museum, Mike?«
Wir gingen zurück zu Mikes Auto auf der Park Avenue.
»Es gibt wahrscheinlich einen Grund, warum du mir nicht erzählt hast, dass Mad Shirl wieder aufgekreuzt ist. Den würde ich gerne wissen.«
»Hör zu, ich habe das Dezernat angerufen. Sie kümmern sich darum. Es ist ja nicht so, dass sie mir wieder auflauern würde. Du reagierst in solchen Situationen immer zu heftig.«
»Wenn eine Frau mit einer Waffe herumläuft, die dich für den Teufel hält, weiß, wo du arbeitest und wohnst, und du keinen Schimmer hast, wo sie steckt? Verdammt noch mal, ja, dann möchte ich darüber Bescheid wissen. Gibt es da irgendetwas, was du nicht kapierst?«
»‘tschuldige. Ich werde dich auf dem Laufenden halten.«
Ich sah auf meine Uhr. »Also, wir sollten jetzt die meisten Leute, die mit der großen Ausstellung zu tun haben, im Naturkundemuseum beisammenhaben. Wir sind ein bisschen spät dran, sodass sie schon auf uns warten werden.«
»Macht das Museum extra für uns auf?«
»Nein. Die einzigen beiden Tage, an denen das Museum geschlossen hat, sind Thanksgiving und Weihnachten. Mit wem wollen wir anfangen? Irgendwelche Vorschläge?«
»Zuerst machen wir den Gruppenansatz. Um zu sehen, ob irgendeine Dynamik unter ihnen -«
»»Zwischen ihnen.«
»Dieser kleine Grammatikdiktator kann einfach nicht still sein, hm? Du ärgerst dich nur, weil dir unser letztes Gruppenmeeting Kopfweh beschert hat.« Er grinste mich an, als er mich an unsere Vernehmung letzten Dezember am King’s College erinnerte.
Wir parkten, und die Aufseher am Eingang, die uns mittlerweile kannten, gaben im Untergeschoss Bescheid. Ein Student brachte uns durch das Labyrinth aus Korridoren und Treppen nach unten, und wir folgten den Schildern mit der Aufschrift BESTIARIUM in einen provisorischen Konferenzraum, in dem
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