Die Knochenkammer
dass einige von ihnen Schenkungen berühmter Leute waren. Die armen Tiere, die Teddy Roosevelt umgebracht hat oder die P.T. Barnum dem Museum gestiftet hat.«
»Ich vermute, dass allein das Elfenbein unglaublich kostbar ist.«
»Sie sollten mal das Stoßzahngewölbe sehen.« Wieder dieses Wort. »Ist das ein bestimmter Ort?«
»O ja. Aber er ist so gut versteckt, dass selbst die meisten Leute, die im Museum arbeiten, nicht wissen, dass es ihn gibt.«
»Und warum ist das so?«
»Er soll ein Geheimnis sein, ein sehr kleiner Raum mit einer dunkelgrünen Stahltür. Ich habe ihn nie gesehen. Man hat ihn natürlich gebaut, um den Diebstahl der Stoßzähne zu verhindern, deshalb hat auch keiner von uns je herausgefunden, wo er ist. Elfenbein im Wert von Millionen von Dollar. Nicht nur von Elefanten, sondern von noch selteneren Tieren wie beispielsweise Narwalen.«
»Gibt es mehrere von diesen speziellen Räumen, Clem?«
»Dutzende. Für verschiedene Zwecke.«
Es war klar, dass Mamdouba bei unserem gestrigen Treffen nicht sehr entgegenkommend gewesen war, als wir ihn nach den Privatkammern gefragt hatten.
Mike sah mich an. »Gehen wir mal davon aus, du könntest genug hinreichenden Verdacht für einen Durchsuchungsbeschluss ausarbeiten, damit wir uns im Museum umsehen können. Nach Arsen, zum Beispiel, oder einem Schiffsbillett nach Kairo. Könnten wir Clem mitnehmen, damit sie uns herumführt?«
»Der hinreichende Verdacht ist das Problem. Wir können darüber reden, wenn wir hier wegfahren. Vielleicht kann uns Zimm helfen, ohne einen Durchsuchungsbeschluss.«
»Ich kann Ihnen dort wahrscheinlich nichts zeigen, worüber er nicht auch Bescheid weiß«, sagte Clem. »Sie sollten ihn dazu bringen, dass er Ihnen hilft. Ich glaube, er war an Katrina interessiert. Er kam ein paarmal mit zum Abendessen.«
»Weil Sie gerade davon sprechen, haben Sie jemals Pierre Thibodaux getroffen?«
»Einige Male, allerdings nur auf Museumsempfängen und bei Arbeitstreffen. Ich war mit Sicherheit nicht Teil seiner Welt.«
»Hat Katrina je von ihm gesprochen?«
Clem wurde rot. »Ich möchte nichts sagen, was Sie vielleicht veranlasst, schlecht von ihr zu denken.«
»Sie ist tot. Wenn Sie mich fragen, ungefähr sechzig Jahre zu früh. Es ist mir egal, ob sie verheiratete Männer oder Affen mochte, ich muss nur die Wahrheit wissen«, sagte Mike.
»Katrina schwärmte für Monsieur Thibodaux. Ich glaube, dass sie sich schon in Frankreich kennen gelernt hatten, bevor sie hierher kam.«
»Hat sie darüber gesprochen?«
»Nie. Sie hat es mir gegenüber sogar geleugnet. Aber wir waren einmal in einem Meeting in seinem Büro. Ganz am Anfang der Ausstellungsplanung. Thibodaux bemerkte sie sofort. Er kam auf sie zu, küsste sie auf beide Wangen und sagte, dass er sie von irgendwoher kenne. Vielleicht von dem kleinen französischen Museum, wo sie gearbeitet hat, bevor sie an die Cloisters kam. Er unterhielt sich ungefähr fünf Minuten lang mit ihr.«
»Worüber?«
»Tut mir Leid. Englisch, Dänisch, Inuit, aber ich spreche kein Französisch. Ich habe ihnen nicht zugehört.«
»Hatten Sie den Eindruck, dass zwischen ihnen irgendetwas gewesen ist?«
»Um Himmels willen, nein. Sie hat es sich vielleicht mal gewünscht, aber nach der -« Clem zögerte - »nach dem letzten Juni -«
»Nach der Vergewaltigung?«
»Genau. Danach verlor sie ihren Lebensfunken. Sie zog sich eine Weile von uns allen zurück. Dann bin ich gefeuert worden und nach London gegangen. Ich wäre am Boden zerstört, falls Thibodaux irgendwas mit der Sache mit Katrina zu tun hätte. Ich habe sie auf ihn angesetzt.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich sah, wie er sie ansah und wie sie auf ihn reagierte. Ich dachte, es würde nicht schaden zu versuchen, ihn als Sympathisanten zu gewinnen. Primitive Kunstwerke sind nicht gerade das Herzstück der Sammlung des Met. Was sollte es ihn kümmern, wenn wir ihre Abstellkammern leer räumten?«
»Ich wusste vom ersten Moment an, dass er uns anlog«, sagte Mike zu mir, bevor er sich wieder Clem zuwandte.
»Hat er angebissen?«
»Ich glaube, er hat nur ein bisschen genibbelt.« Clem lachte. »Aber er interessierte sich nicht für unser Anliegen. Katrina sagte mir, dass er ihr deutlich zu verstehen gab, dass es unmöglich sei, die Artefakte an die Afrikaner zurückzugeben, dass die Objekte in unseren Museen respektvoller behandelt würden als in ihren Heimatländern, dass sie in manchen Fällen in größerer Gefahr wären, wenn
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