Die Knochenkammer
hingen, hatten das Aussehen und die Effizienz einer anderen Ära. Circa alle zehn Meter war eine moderne Neonlampe montiert, die wohl eher in eine Toilette eines Busbahnhofs als in ein Museum gepasst hätte.
Wir gingen die düstere Treppe hinab in die Abteilung des Kellergeschosses, die wir schon kannten. Zimm war noch immer an seinem Schreibtisch und arbeitete am Computer, drei Gefäße mit ekligen Spinnen neben sich.
»Mamdouba hat gesagt, dass Sie eventuell herunterkommen. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Ich hatte Block und Stift gezückt, um mir Notizen zu machen. »Wir wollen uns nur noch ein paar Details ansehen, die wir übersehen haben. Sind Sie allein hier unten?«
»Nein, es brennen noch vereinzelt Lichter. Ich glaube, wir haben heute Nacht ein volles Haus.« Er lächelte Mike und mich an. »Sie sorgen mit Sicherheit für Aufregung.«
Wir gingen vorbei an den Ausstellungsbüros den Flur hinunter. Ich machte von jeder Tür eine Skizze und vermerkte, welche Türen verschlossen beziehungsweise offen waren, welche Tiere in den Gefäßen auf den Regalen zu schwimmen schienen und welche klimatischen Bedingungen vorherrschten.
Wo war Katrina Grootens Leiche all die Monate über gelagert gewesen? Es gab unzählige Möglichkeiten. Ich machte mir eine Notiz, Dr. Kestenbaum auf einen Termin festzunageln, damit er hier Temperaturmessungen vornahm, um das wahrscheinlichste Umfeld für unsere Unvergängliche zu bestimmen.
Über eine Stunde lang sahen wir uns in den kleinen Lagerräumen und winzigen Labors um. An jeder Gabelung gingen Mike und ich in verschiedene Richtungen und trafen uns fünfzehn Minuten später wieder an der Kreuzung.
So arbeiteten wir uns durch drei separate Kellergeschossbereiche, ohne irgendeinen Anhaltspunkt zu finden.
Als wir zum vierten Bereich kamen, fühlte ich mich inmitten der chemischen Gerüche, des künstlichen Lichts und der Exponate, die in jedem Regal, jeder Kommode und jedem Schrank lagerten, fast heimisch.
»Such’s dir aus, Coop«, sagte Mike. Er zog an einer Schnur, um die Glühbirne über uns einzuschalten, und las ein kleines Schild an der Wand. »Wespen und geflügelte Wesen zur Linken. Dinosaurierfossilien zur Rechten.«
»Keine Insekten für mich.«
»Sie sind nicht mehr am Leben.«
»Keine Insekten, Punkt! Ich schulde dir was, okay? Hier gibt’s nichts auszusuchen.«
Ich ging den engen Flur zu meiner Rechten hinunter und fand mehrere verschlossene Türen vor. Die fünfte Tür aber ließ sich leicht öffnen, und ich tastete mich an der Wand entlang zum Lichtschalter.
Auf diesem Flur war vielleicht was zu holen. In dem Raum mit dem Schild Barosaurus Femurs waren Oberschenkelknochen, die dicker als Baumstämme waren. Nichts schien klein genug, um einmal ein Mensch gewesen zu sein, aber an die höher gelegenen Regale, deren Inhalt ich nicht sehen konnte, kam ich nicht ran. Ich machte mir eine Notiz, hierher zurückzukommen.
Hinter jeder Tür verbargen sich ähnliche Fossilien. In manchen Räumen waren ausschließlich Dinosaurierschädel mit Augenhöhlen von über einem Meter Durchmesser und Nasenhörnern, die mir bis zur Taille reichten. In anderen lagen von einem Ende zum anderen nur Wirbelknochen. Ohne einen Experten wäre es schwierig zu sagen, ob sich darunter auch die sterblichen Überreste anderer Spezies befanden.
Ich erreichte das Ende des grauen Flurs und drückte gegen die letzte Tür. Sie wurde von einem alten Scharniergestänge betrieben und ließ sich nur mühsam öffnen, indem ich mich mit meinem ganzen Gewicht dagegenlehnte. Hier waren kleinere Knochen, und ich ging zu einem Regal an der gegenüberliegenden Wand, an dem ein beschriftetes Schild zu hängen schien.
Als ich mich bückte, um das Schild zu entziffern, in der Hoffnung, dass das Licht der nackten Glühbirne am anderen Ende des Korridors ausreichen würde, fiel die Tür mit einem Zischen ins Schloss. Ich war allein in dem engen Raum mit den verstaubten Skeletten.
Ich versuchte mir einzureden, dass ich zu müde war, um mich aufzuregen. Ich sprach mit mir wie eine Mutter, die ihr sechsjähriges Kind beruhigen will. Es sind nur Knochen, wiederholte ich immer wieder, während ich im Dunkeln zur Tür zurücktapste. Hier drinnen ist nichts, was mir wehtun kann. Ich bin in einem Museum, dem kinderfreundlichsten Museum der Welt, und mein Lieblingspolizist ist nur fünfzig Meter entfernt.
Ich streckte die Hand aus, um mich an einem Regal entlang zum Ausgang zu tasten. Als ich etwas Raues
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