Die Knochenkammer
hier und ich -, uns selbst an dieser Ausstellung beteiligen müssten. Es kostete enorm viel Zeit und Energie, aber ich wusste, dass es sich auf Grund der Einnahmen aus der Ausstellung für uns lohnen würde.«
»Bellinger ist selbst ein Relikt des Mittelalters«, sagte Gaylord. »Er sitzt dort oben wie ein Mönch im Kloster und studiert illuminierte Handschriften. Er scheint nicht zu kapieren, dass er bald selbst das Armutsgelübde ablegen kann, falls wir kein Geld einfahren. Leider haben viele unserer Wissenschaftler wie Hiram nur Verachtung für Thibodaux und seine unternehmerische Vision übrig.«
»Und Sie?«
»Ich bewundere Pierre durchaus. Ich glaube, das tun wir alle drei. Man muss die finanziellen Mittel haben, um die Stücke kaufen zu können, die auf den Markt kommen. Das ist die einzige Möglichkeit, mit den anderen großen Museen der Welt Schritt zu halten. So einfach ist das.«
»Sie haben also Ms. Grooten das erste Mal bei diesen Meetings getroffen?«, fragte ich Gaylord.
»Das einzige Mal. Pierre übertrug mir die Leitung auf Seiten des Met für die gemeinsame Ausstellung. Ich habe bei einigen Planungstreffen den Vorsitz geführt.«
»War Mr. Thibodaux auch anwesend?«
Gaylord dachte einen Moment nach. »Vielleicht ein- oder zweimal. Ich kann mich nicht erinnern, ihn noch oft gesehen zu haben, nachdem er mir die Leitung übergeben hatte.«
»Und Ms. Grooten?«
»Wie ich schon sagte, sie war beim ersten Treffen nicht dabei.«
»Aber waren er und sie jemals in denselben Meetings anwesend?«
Die drei Kuratoren sahen einander an. »Schwer zu sagen«, antwortete Poste. »Thibodaux steckte gelegentlich den Kopf durch die Tür, wenn er nicht gerade im Ausland unterwegs war. Nur um zu unterstreichen, dass die Ausstellung sein Baby war, eine Direktive von oberster Stelle.«
»Ist er oft unterwegs?«
»Ständig. Irgendein Mittelsmann ruft an, um ihm zu sagen, dass ein Privatmann in Athen, der dringend Bargeld braucht, einen alten griechischen Krug besitzt oder dass in Genf auf einer Auktion zum ersten Mal ein Caillebotte zu haben ist oder dass eine reiche alte Dame überlegt, welchem Museum sie ihre Stradivari vermachen soll, je nachdem, wo das gute Stück am besten zur Geltung kommt. So läuft das Spiel.«
»Hat einer von Ihnen jemals privat mit Ms. Grooten zu tun gehabt? Außerhalb dieser Treffen?«
»Wir beide«, sagte Anna Friedrichs und deutete auf sich und Erik Poste.
»Was wissen Sie über sie? Wie gut kannten Sie sie?«
»Ich mochte Katrina sehr gern«, sagte Friedrichs. »Wir gingen hin und wieder nach der Arbeit zusammen essen. Sie war ungefähr zehn Jahre jünger als ich. Achtundzwanzig oder neunundzwanzig. Sie hat in England studiert. Oxford, glaube ich. Sie machte ihren Magister in mittelalterlicher Kunstgeschichte, bevor sie vor drei Jahren hierher kam, um für uns zu arbeiten.«
»Single?«
»Ja. Sie lebte allein. Sie wohnte in einer Einzimmerwohnung in Washington Heights, in der Nähe der Cloisters. Sie fuhr gern mit dem Fahrrad zur Arbeit.«
»Hatte sie irgendwelche Verwandte hier?«
»Nicht dass ich wüsste. Ihre Mutter starb, als sie auf der Uni gewesen war. Und ihr Vater daheim in Südafrika ist, glaube ich, ziemlich krank.«
Erik Poste wusste mehr darüber. »Es war einer der Gründe, warum sie so hin und her gerissen war. Ihr Vater lag im Sterben, und sosehr sie ihre Arbeit hier auch liebte, sprach sie immer öfter davon, wieder nach Hause zu gehen, um sich um ihn zu kümmern.«
»Irgendwelche Männer in ihrem Leben? Beziehungen?«
»Nicht, dass sie darüber gesprochen hätte. Wie Anna ging ich manchmal mit Katrina in der Mittagspause essen, wenn wir gerade zufällig beide im Büro der Bestiariums-Ausstellung arbeiteten. Ich glaube, wir waren einmal zusammen beim Abendessen, gemeinsam mit einer anderen Museumsmitarbeiterin, weil sie etwas Dienstliches mit mir besprechen wollten.«
»Haben Sie und Katrina Grooten jemals -?«
»Nicht, was Sie denken, Detective. Ich bin dreiundvierzig Jahre alt, verheiratet und habe drei Kinder. Meine Beziehung zu Katrina war rein beruflicher Natur. Zwischen unseren beiden Abteilungen gab es viele Überschneidungen, also hatten wir oft miteinander zu tun.«
»Was meinen Sie mit Überschneidungen?«
»Ich leite die Abteilung für europäische Gemälde und Skulpturen. Katrinas Interesse galt der mittelalterlichen Kunst. Ihr Bereich ist ein Unterbereich meiner Abteilung, also habe ich sehr viel Kontakt mit Hiram Bellinger und seinen
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