Die Knochenkammer
Brittany war der Tarnname, den ein männlicher Detective der Jugendschutzabteilung, Harry Hinton, verwendete, wenn er im Internet nach Kinderschändern suchte.
»Ich werde deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Er will sich morgen Nachmittag treffen.«
»Am Freitag? Direkt vor dem Feiertag?« Es war der Anfang des Memorial-Day-Wochenendes, und viele New Yorker fuhren für drei oder vier Tage aufs Land oder an den Strand.
»Das ist der Trick. Brittany sagte, dass ihre Eltern verreisen würden und sie bei einer Freundin übernachten würde.«
»Hast du dir die Abschriften angesehen?«
Blackmer war wie immer gut vorbereitet. »Ordentlich und genau, so wie du es gern hast.« Er reichte mir die Akte.
Im WorldWideWeb war Brittany eine zierliche, dreizehnjährige Cheerleaderin mit Pferdeschwanz, die eine Klosterschule auf der Upper West Side besuchte. In Wirklichkeit war sie ein muskulöser sechsunddreißigjähriger Cop mit starker Gesichtsbehaarung und fünfzehnjähriger Diensterfahrung.
Wenn er online ging, um nach Perversen zu surfen, fing Brittany-Harry nie die Unterhaltung an. Er stellte niemandem eine Falle. Er ging einfach in die Cyberhöhlen, wo sich diese Kreaturen herumtrieben, genauso wie Felix in seinem Taxi durch die Straßen der Stadt fuhr, um nach minderjährigen Mädchen Ausschau zu halten. »Welcher Chatroom?«
»Er heißt >Ich mag viel ältere Männer<. Das übliche Profil. Sprich die Zauberworte: Cheerleading, Musikvideos, Klosterschuluniformen. «
Man konnte Harrys Nummer regelrecht in Echtzeit mitverfolgen. Innerhalb von Minuten, nachdem er sich mit seinem Teenager-Profil in den Chatroom eingeloggt hatte, kamen die Haie aus dem Wasser: »Wie groß bist du?«, fragten sie.
»Klein. Nur ein Meter sechzig«, antwortete Brittany.
»Nein, ich meine nicht deine Körpergröße. Was ist deine BH-Größe?« Und dann: »Beschreib deine Uniform!« Und dann: »Bist du noch Jungfrau?« Worauf normalerweise folgte: »Schick mir ein Bild von dir!« Harry drückte die Eingabetaste und schickte ein digitales Foto von Joni Braioso, der Undercoverpolizistin, die sich tatsächlich mit den Leuten traf, falls es so weit kam. Obwohl sie vierundzwanzig war, sah Joni keinen Tag älter aus als sechzehn. Mit ihrem karierten Rock, den marineblauen Kniestrümpfen, einer falschen Zahnspange, Pferdeschwanz und bei einem Gewicht von weniger als hundert Pfund ging sie locker als Zwölf- oder Dreizehnjährige durch.
Harry hatte die Antwort auf das Foto, das er geschickt hatte, heruntergeladen: »Das bin ich an meinem Computer.« An die Mail angehängt war ein Foto von einem Mann mittleren Alters in einem Polohemd, das wie eine Werbung aus einem Sportbekleidungskatalog aussah.
»Und das ist mein Monster.« Auf der nächsten Seite war eine Nahaufnahme von einem Penis zu sehen.
Ich sah zwei Mal hin.
»Riesig, hm?«, sagte Ryan. »Harry und ich wetten, dass er ihn sich von einer Pornoseite runtergeladen hat. Diese Kerle haben nie die Dinger, die sie vorgeben zu haben. Ich mag es besonders, wenn sie ihren Genitalien Namen geben. So was würde mir nie einfallen.«
»Soll ich weiterlesen?«
»Das übliche Muster. Er will ihr zeigen, wie’s geht. >Lern das Monster kennen, und ich zeig dir, was man damit machen kann.<«
»Ist er explizit?« Ich wollte keinen Polizeieinsatz vergeuden, wenn der Kerl nur gern obszön daherredete.
»Er beschreibt genau, was er tun will und wie er es tun will. Wenn ich es dir sage, er ist ein perfektes Ziel für uns. Er will, dass sie einen Treffpunkt vorschlägt, wo Hotels in der Nähe sind. Er bringt die Kondome, Marihuana und etwas Alkohol mit, um sie zu entspannen.«
»Und hast du herausgefunden, wer er ist?«
»Ich habe eine richterliche Anordnung an den ISP gefaxt.« Der Internet Service Provider hatte mit Informationen über den Mann, dessen E-Mail-Name MonsterMan war, geantwortet. »Die Antwort war heute früh in meinem Faxgerät. Ich habe ihn gerade in Faces of the Nation, der Personendatenbank, überprüft.«
Ryan las mir aus den Angaben vor, die er aus dem Internet geholt hatte. »Frederick Welch III. Er ist Direktor einer Highschool in Litchfield, Connecticut.«
»Das Treffen ist gebongt. Lasst uns einen Ort ausmachen, an dem sich Joni wohl fühlt, und ein paar Pensionen, mit denen das Dezernat zu tun hat.« Die Pensionen waren oft Stundenhotels, in denen auch Prostituierte und Junkies verkehrten. Oft baten die Pensionen die New Yorker Polizei um Hilfe, wenn die Stelldicheins
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