Die Knochenkammer
und Drogendeals aus dem Ruder liefen. Harry würde einen Pensionsmanager fragen, der ihm einen Gefallen schuldete. »Du willst so weit gehen?«
»Ich will, dass er sich anmeldet und einen Zimmerschlüssel verlangt. Wir haben letzten Monat einen Fall vermurkst, als wir den Kerl verhafteten, als er sich blicken ließ und Joni ein Küsschen auf die Wange gab. Der Richter sagte, wir hätten keine Beweise, dass der Täter mit seinem Online-Geplänkel Ernst machen wollte.«
Der Cyberspace war eine neue Spielwiese für Pädophile geworden. Es gab nicht nur Tausende von Seiten, auf denen man Kinderpornografie kaufen, verkaufen und tauschen konnte. Er war auch ein einfacher und billiger Weg, um mit Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt zu kommunizieren. Dieselben Eltern, die den Umgang und die Ausgehzeiten ihrer Kinder streng kontrollierten, schickten sie stundenlang auf ihre Zimmer, ohne sie davor zu warnen, dass es genauso riskant war, sich online mit einem Fremden zu unterhalten wie auf der Straße.
Sarah Brenner kam mit zwei Kaffeetassen in mein Büro.
»Ich habe deine Nachricht erhalten und bin sofort nach oben gekommen. Hallo, Ryan. Zweifelsohne etwas Gutes.«
»Vielleicht spar ich mir den Kaffee und klemm mir lieber Zahnstocher zwischen die Augenlider, damit sie mir nicht zufallen. Guten Morgen.« Ich nahm eine Tasse.
»Beschwer dich nicht über Schlafmangel, wenn du nicht Mutter dreier Kinder bist. Du magst es doch nicht anders. Lässt dir Battaglia den Fall?«
»Falls du mir hier Rückendeckung geben kannst, könnte Ryans Internet-Operation morgen in die heiße Phase gehen. Wir haben drei Leute im Gerichtssaal und ein Feiertagswochenende vor uns. Da werden bei den jungen Wilden wieder die Gäule durchgehen.« Bei warmem Wetter stiegen unsere Zahlen immer an.
»Kann ich wichtige Entscheidungen treffen?«, fragte sie lächelnd.
»Du kannst sogar McKinney in den Hintern kriechen, falls dir danach ist.«
Das Telefon klingelte, und ich wollte rangehen, aber Laura kam herein und war schneller. Sie begrüßte uns und sagte, dass Chapman am Apparat war.
»Ich übergebe gerade an Sarah. Dann mach ich mich gleich auf den Weg.«
»Deshalb rufe ich nicht an. Dr. K. ist noch in Chelsea an einem Tatort. Was brauche ich, um einen Pass zu beschlagnahmen?«
»Was du in dem Fall noch nicht hast: einen hinreichenden Verdacht. Warum? Hat Pierre Thibodaux schon seine Koffer gepackt?« Ich hatte befürchtet, dass der zukünftige Exdirektor keinen Grund haben würde, in der Stadt zu bleiben, hätte aber gedacht, dass es eine Übergangszeit geben würde, bis man einen Nachfolger gefunden hatte.
»Ich habe gerade Ms. Drexler angerufen, um herauszufinden, wann ich die Angestelltenliste abholen und mir die restlichen ägyptischen Särge von Timothy Gaylord zeigen lassen kann, da er uns gestern Nachmittag so abrupt verlassen hat. Leider verlässt er heute Abend das Land.«
»Dienstlich oder privat?«
»Eine eher ungewöhnliche Dienstreise nach Chile. Er fliegt zum Mumienkongress.«
Mike Chapman hielt an der Laderampe auf der East Thirtieth Street einem Leichenschauhausbediensteten, der eine leere Bahre schob, die Tür auf. Ich kletterte aus dem Taxi und blinzelte in der grellen Sonne. Es war ungewöhnlich, am Eingang zu diesem grauen Tunnel, an dem die Toten der Nacht angeliefert wurden, Gesang zu hören.
»See the pyramids along the Nile …«, schnulzte Mike leise, eine etwas rhythmischere Version als Jo Staffords Aufnahme von 1956. Mike stützte sich mit einer Hand am Türrahmen ab, sodass ich unter seinem Arm hindurchgehen musste, und signalisierte dem wartenden Krankenwagenfahrer, als er zu der Koda des Songs kam: »She belongs to me.«
»Ich beiße gleich. Was ist der Mumienkongress?«
»Der vierte Weltkongress über Mumienforschung. Muss ein richtig unterhaltsamer Haufen sein, meinst du nicht auch? Dort findest du vielleicht einige Gastredner für McKinneys Killercamp.«
Die Bezirksstaatsanwaltschaft veranstaltete jedes Jahr ein Fortbildungswochenende für die leitenden Mitglieder der Prozessabteilung, die mit Mordermittlungen zu tun hatten. Es war Pat McKinneys Lieblingsprojekt, und er verbrachte den größten Teil des Jahres damit, die schrulligsten Experten und die schlimmsten Unterkünfte zu organisieren, die eine Konferenz bieten konnte.
»Das gibt’s wirklich?«
»Wenn es nach Ms. Drexler geht, ist nur ein päpstliches Konsistorium wichtiger. Alle drei Jahre trifft sich eine lebhafte Gruppe von
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