Die Knochentänzerin
Jungfrauen.«
»Sieben!«, platzte es aus Karl heraus, der sofort an die sieben Kurfürsten in seinem
Kaiserlichen Rechtbuch
dachte. Konnte es Zufall sein, dass Parler gerade mit dieser Zahl jetzt und hier auftauchte? »Sieben Fingerknochen oder Zähne? Was genau?«
»Sieben vollständige Skelette. Und angeblich ist das noch nicht alles.«
»Wer – wer bietet diese Reliquien an?«
»Zwei Händler in der Begleitung einer Kölner Nonne.«
»Ihr sagt:
Einerseits
klingt das Angebot verlockend. Erklärt mir das
Andererseits
.«
»Es klingt beinahe
zu
verlockend. Es gibt viele Fälschungen. Fakt ist, dass kürzlich ein Pestfriedhof in der Nähe Prags von Grabschändern geplündert wurde. Möglicherweise handelt es sich bei den Skeletten gar nicht um echte Reliquien, sondern lediglich um die Knochen von Pesttoten.«
Der König streckte fordernd die Hand nach der Urkunde aus und befahl: »Lasst sehen.«
Parler reichte ihm das Pergament. Karl, der es rasch überflog, erstarrte plötzlich und wurde bleich. Er beugte sich zu Faliero und wies ungläubig auf das Siegel.
»Seht Euch das an! Erkennt Ihr es?«
Faliero schien ratlos. »Was meint Ihr?«
»Das Siegel! Erkennt Ihr es nicht? Damals in Venedig!« Karl hielt ihm auch noch den Ring hin, den er am Finger trug. »Diese rothaarige Frau, die Ihr zusammen mit dem Spion verbrannt habt – sie trug diesen Ring. Ich fand ihn in der Asche des Scheiterhaufens. Und nun taucht dieses Siegel hier auf.«
Faliero blieb zunächst der Mund offen stehen. Doch er hatte sich rasch wieder gefasst. »Das muss nichts bedeuten. Die Erklärung kann ganz einfach sein.«
Karl schwieg und starrte auf das rote Wachs, in das jemand unverkennbar jenes Siegel gedrückt hatte, das auch den Ring an seinem Finger schmückte: die Rose, die sich um den Stab wand.
So leise, dass es wie ein Flüstern klang, befahl er: »Lasst diese Händler und die Nonne zu mir bringen.«
35
Löwen legten sich vor ihm nieder und leckten seine Füße
S chon von weitem sahen wir die Flammen, die hoch bis in den Himmel schlugen. Funken sprühten empor, gelbrote Feuerzungen leckten in die blauschwarze Nacht. Eigentlich wäre es ein fantastisches Schauspiel gewesen.
»Irgendwo brennt es lichterloh!« Cosmas standen die Freude und die Aufregung darüber ins Gesicht geschrieben.
William rannte schon los.
»Idiot!«, zischte ich. »Nicht
irgendwo
! Die Scheune brennt!«
»Welche Scheune?«, hörte ich Cosmas noch rufen, während ich schon William hinterherrannte.
Die Nacht war taghell. Es zischte, krachte, brodelte, loderte. Die Wände der Scheune bestanden aus Feuer, und während ich, wie William, die Hände vors Gesicht schlug, schnaufte Cosmas herbei und keuchte: »Das Dach ist feuerrot wie deine Haare.«
Williams Hände sanken herab. Er fixierte Cosmas. »Du hast die Scheune als Letzter verlassen. Ist dir nichts aufgefallen?«
Cosmas legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. »Nein. Es war alles in Ordnung. Das konnte ich klar und deutlich sehen.«
Williams Augen wurden schmal. »Wie konntest du etwas sehen? Es war stockduster.«
»Nein. Die Kerzen brannten doch. Neben jedem Skelett eine. Sieben an der Zahl. Da war viel Licht.«
William stürzte sich mit einem Aufschrei auf Cosmas. Es gab ein Knäuel, das sich über den Boden wälzte, einzelne Fäuste zuckten daraus hervor.
»Hört auf!«, schrie ich immer wieder, wobei mich das Tosen und Krachen, als die Scheune vollends zusammenstürzte, beinahe übertönte. Gleichzeitig mit dem Feuer, das nun nur mehr knackte und brummte, wurden die Kämpfer stiller, bis sie schließlich nach Atem ringend dalagen.
»Alles, was wir besaßen, war in dieser Scheune«, flüsterte ich. Nicht nur die Reliquien, auch unsere ganze Habe hatten wir dort gelassen.
William rappelte sich hoch und klopfte den Dreck von seinen Kleidern. Verächtlich spuckte er neben Cosmas aus.
Das Feuer brannte noch die ganze Nacht. Erst als die Morgendämmerung fahl über den Himmel kroch, erloschen die letzten Flammen. Weiße Asche lag über verkohlten, noch glimmenden Balken. Eine unheimlich Stille trat ein.
William stocherte mit einem Stock darin herum. »Da ist nichts mehr zu retten«, knurrte er.
Doch da täuschte er sich.
Während Cosmas murmelte »Alles verloren« und dabei tragisch nickte, hebelte William Balken zur Seite. Die Sonne ging auf. Die Trümmer der Scheune qualmten.
»Es hat keinen Zweck.« Tränen erstickten meine Stimme. »Nur noch Asche ist
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