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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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den Esel ein und kletterten ins Boot. William schnalzte mit der Zunge, und Moses zockelte los.
    Cei griff nach seinem Instrument und stimmte die Saiten. Dann erklärte er: »Solange der Weg so gut ist wie dieser, wird es eine angenehme Reise. Es ist mir ein Vergnügen, euch währenddessen mit einem Lied zu unterhalten: Nun höret denn, was ich euch singen werde …«

    Cei sang uns einige Lieder – von Drachen, Jungfrauen, Rittern, Einhörnern, magischen Wesen und anderen unglaublichen Dingen – und als wir schon die Berge erreichten, die vor uns schroff bis in die Wolken wuchsen, präsentierte er uns noch eine zweite Erklärung für den Ursprung seiner Narbe. Er habe, so sang er, das Ende des Regenbogens gefunden, das unglücklicherweise in einem tiefen Ozean lag. Er tauchte hinab, viele Tage lang, bis er den Topf mit Gold erreichte, doch da schlang ein riesiges Seeungeheuer seinen Schwanz um seinen Hals und schleuderte ihn zurück an die Meeresoberfläche. Dies wiederholte sich mehrere Male, bis er müde wurde und weiterzog.
    Die Berge warfen einen riesigen Schatten auf uns. William und ich stiegen aus dem Boot und hockten uns daneben.
    »Das ist wohl das Ende unserer Schiffsreise«, meinte William.
    »Noch nie in meinem Leben habe ich so hohe Berge gesehen«, sagte ich. »Kein Mensch kann sie überqueren. Schon gar nicht in einem Boot.«
    »Lasst euch nur nicht einschüchtern. Zugegeben, der Weg wird jetzt ein bisschen steiler und steiniger, doch glaubt mir, ich bin schon sieben Mal über diese Berge gestiegen und jedes Mal drüben heil wieder runtergekommen.«
    Ich schaute ungläubig zu den Gipfeln. »Nicht einmal Vögel können so hoch fliegen.«
    »Oh doch.« Cei rollte mit den Augen. »Krähen so schwarz wie der Teufel segeln über den höchsten Klippen im Wind und lachen hämisch, wenn ein Mensch dort droben herumklettert.«
    »Den Kahn müssen wir jedenfalls hierlassen.« Williams Blick wanderte zu den Felsen und zurück zum Boot.
    »Nichts da«, erklärte Cei. »Wir werden ihn ziehen und schieben und an manchen Stellen tragen. Aber auf keinen Fall kann ich mich davon trennen.«

    William und mir wurde rasch klar, warum Cei für unsere Schifffahrt nichts berechnet hatte. Der nun zu leistende Obolus bestand aus unserem Schweiß und Blut. Die Handelsstraße, auf der wir bisher recht bequem gereist waren, wurde schmal und so steil, dass es William und mir zunächst unmöglich schien, darauf auch nur einen Steinwurf weit zurückzulegen. Doch Cei erklärte wohlgelaunt: »Nur keine Müdigkeit vorschützen, Freunde. Hannibal hat die Berge mit Elefanten überquert, da werden wir es wohl mit einem Esel und einem Kahn schaffen!«
    Während wir zerrten, schoben, Moses, den Esel, mit guten Worten und Stockhieben anspornten, zogen und schleppten, schöpfte ich ausgiebig aus meinem reichhaltigen Vorrat an heidnischen Verwünschungen, die ich auf Icolmkill lernen durfte, damit ich wusste, dass sie für jeden Christenmenschen verboten waren. Auch meine Kenntnisse der griechischen Mythologie bemühte ich. Während der Kahn einmal mehr die gesamte mühsam erarbeitete Strecke wieder zurückrollte, konnte ich dies mit dem Kommentar begleiten: »Hätten die Götter damals von unserer Tortur gewusst, hätten sie Sisyphos keinen Stein, sondern ein Boot auf Rädern gegeben.«
    Mancherorts war der Weg nur ein Saumpfad. William und Cei spannten Moses aus, bauten die Räder ab und kippten den Kahn. Wir balancierten ihn auf unseren Köpfen und Rücken an schwindelerregenden Abgründen entlang, stellten ihn dann an einer breiteren Stelle ab und gingen zurück, um Moses und die Räder zu holen. Abends war ich immer so zerschlagen und erschöpft, dass ich meist mit dem Kopf an Williams Schulter am spärlichen Feuer sofort einschlief.
    Es war eine Frage der Zeit, bis ein Unglück geschehen musste. Eine Lawine aus Schlamm und Geröll hatte den Pfad verschüttet. Wir standen dort, wo der Weg aufhörte, und konnten sehen, wo er auf der anderen Seite der Gerölllawine weiterging.
    »Es hilft nichts«, erklärte Cei fröhlich. »Da müssen wir rüber.«
    »Es ist rutschig, steil und unwegsam«, gab ich zu bedenken. Müde hockte ich mich auf einen Stein.
    »Wir schaffen das. Steh auf. Eins, zwei, drei: Hoch das Boot!«
    Wir schafften es nicht. Natürlich war ich diejenige, die strauchelte und den Halt verlor. Doch büßen musste es William. Das Boot fiel von unseren Köpfen, und während Cei und ich losließen, hielt William es fest. Entsetzt

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