Die Knochentänzerin
musste ich zusehen, wie er und das Boot in einem sich überschlagenden Knäuel hinunterpolterten.
»O Gott! O Gott, mein Boot!«, jammerte Cei, während William und das Schiff mit lautem Krachen ein letztes Mal aufschlugen und dann liegen blieben. Es folgte eine unheilvolle Stille. Wie gelähmt hatte ich zugesehen. Nun löste sich meine Erstarrung abrupt. Auf Händen und Füßen krabbelte ich die Gerölllawine hinunter.
»William!«, schrie ich dabei immerfort, »William! Rühr dich! Sag etwas!«
Als ich bei ihm war, schlug er die Augen auf und stöhnte.
»Kannst du dich bewegen?«, rief ich ängstlich.
»Mir geht es gut«, presste er kaum hörbar hervor.
»Kannst du aufstehen?«
»Kann ich.« Er richtete sich auf und fiel sofort wieder zurück.
»Gütiger Gott, hilf!«, schrie ich zum Himmel. Ich packte William unter den Schultern und musste all meine Kraft aufwenden, damit er wieder auf die Beine kam. Wackelig, blutüberströmt stand er da und grinste mich an.
»Alles in bester Ordnung. Es sind nur ein paar Kratzer.«
Es dauerte bis zum Abend, bis wir das Boot geborgen hatten. Es war in weit besserem Zustand als William, der nun neben der Quelle lag und ein mattes Lächeln in meine Richtung versuchte. Trotzdem bastelte Cei an dem Kahn herum und stieß dabei klagende Laute aus, als habe er den Tod des geliebten Weibs zu beklagen.
»Hör endlich auf, den Kahn zu bemitleiden«, fauchte ich, »sieh dir lieber an, wie William zugerichtet ist!«
»Ach je, ach je!«, jammerte Cei immer weiter, streichelte über die Planken und murmelte sanfte Worte wie zu einem Sterbenden.
Da ging ich zu William, küsste sanft seine blutigen Lippen, dass er zusammenzuckte, und schälte die zerrissenen Kleider von seinem Körper. Stück für Stück wusch ich seine zerschlagenen Knochen. Mit meinen Haaren trocknete ich ihn ab. Moses stand daneben und schickte einen klagenden Schrei in die Berge, wo das Echo hin und her sprang, als wohne dort eine ganze Herde von Eseln.
William war zäh und erholte sich rasch. Wir mussten nur einen einzigen Tag pausieren, bevor er uns, blau am ganzen Körper und zum Herzerweichen humpelnd, ermunterte weiterzuziehen. »Der hat mir das Leben gerettet«, erklärte er dabei immer wieder und klopfte anerkennend auf den Beutel mit dem Mantel des heiligen Markus. »Ohne den hätte ich mir das Rückgrat gebrochen.«
Wenn ich gedacht hatte, die Berge wären ein einsamer Ort, so sah ich mich getäuscht. Der Pfad, so unwegsam und schwindelerregend er sich auch zeigte, war ausgetreten, und nicht selten hörten wir schon von weitem den Ruf: »Aus dem Weg, wir haben es eilig!«, und kurz darauf überholten uns Kolonnen mit hochbeladenen Maultieren und Ochsen. Bald schienen wir zum Gespött aller Händler und Reisenden auf dieser Route geworden. Die Kunde von uns schien sich schneller fortzupflanzen als das Echo zwischen den Felsklippen. »Da vorne sind sie! Tatsächlich! Ein Esel, eine Nonne und ein Kahn!«, war ein häufiger Ruf, den wir sowohl von hinten als auch von vorne hörten, ebenso wie Spott in den verschiedensten Variationen, der stets mit dem Umstand Schabernack trieb, dass ein Grautier, eine Klosterfrau und ein Schiff an diesem Ort ein wahrlich seltsames Bild abgaben.
Und schließlich hatten wir es doch geschafft. In einem wilden Ritt auf dem Rücken eines weißschäumenden Flüsschens – Moses mit angelegten Ohren und in den Kahnwänden verkeilten Hufen – wurden wir in eine Ebene gespült, deren wohltuende Weite nun blühend vor uns lag.
»Noch nie kam mir ein Anblick schöner vor«, seufzte ich und schmiegte mich an Williams Seite. Der Kahn trieb aufs Ufer zu.
Cei ließ seine Rechte durchs Wasser zischen, und ein großer, silbriger Fisch flog ins Gras. »Abendessen!«, rief er fröhlich, sprang aus dem Boot und schickte mich zum Brennholzsuchen.
In den nächsten Tagen schwemmte uns das Flüsslein mit dem Kahn in einen größeren Fluss und dieser wiederum in einen breiten Strom. Cei hatte eine alte Pferdedecke aufgetrieben, als er Moses verkaufte, weil – wie er meinte – ein Esel auf dem Wasser wenig Sinn ergibt, und sie an zwei Stöcke gebunden, die er im Kahn befestigt hatte. So segelten wir zum Meer und erreichten in wenigen Wochen eine weite Lagune. An den Ufern lag eine Stadt, deren Prunk wir selbst aus dieser Entfernung erahnen konnten.
»Wie in Gold gegossen«, murmelte ich voll Ehrfurcht, während Cei aufsprang, das Segel wie eine Fahne schwenkte und rief:
»Venecia! Mach
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