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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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bemalt, nach außen hin betörend schön, doch nach innen hin roh und verdorben.
    Ich roch das faulende Holz und den feuchten Lagunennebel, der mit der Nacht vom Wasser her über die Häuser kroch und alles erstickte. Diese Stadt, die all ihren Glanz, aber auch all das Elend auf vermodernden, in den Schlamm gerammten Holzstelzen präsentierte – beinahe wie jene verkommene Spelunke vor den Toren Prags –, bestand aus Wasser, Gold und Stein. Sie wirkte auf mich, als wäre hier alles möglich. Dazu trug das Labyrinth der Kanäle bei, wie eine Landkarte der undurchsichtigen Ränkespiele und Lügen, die allgegenwärtig waren. Dabei schien der Doge Marino Faliero der perfekte Vertreter der Serenissima, wie ein menschliches Abbild der Stadt, die er regierte. Auch er hatte nicht nur ein Gesicht und auch nicht zwei, sein Wesen schien aus Facetten aller Färbungen zu bestehen, beginnend bei leuchtendem Silber, doch sich verdunkelnd bis hin zum tiefsten Schwarz.
    Wenn ich ehrlich war, fühlte ich mich einerseits geschmeichelt, von seinen Komplimenten und der geschenkten Aufmerksamkeit – auch von der Tatsache, dass er, der Doge und höchste Amtsträger der Stadt, mich in seinen Palast einlud, mich sogar zu umwerben schien, sehr zum Ärger seiner jungen, wunderschönen Gemahlin. Andererseits verspürte ich in seiner Gegenwart nie Ruhe oder Sicherheit, stets hatte ich das Gefühl, er wechselte fortwährend seine Masken, und unter all diesen befände sich nur ein einziges Wesen, beherrscht von kühler Berechnung.
    William, rasch wieder aus dem Gefängnis entlassen, durfte nur ein einziges Mal mit mir in den Palast. Anlass waren die Begutachtung und der Kauf des Heiligenmantels durch den Patriarchen von Venedig, der die Reliquie betastete, beinahe wie ein Hund beschnüffelte, das Zertifikat weitsichtig von sich hielt, wie die Länge seiner Arme es zuließ, und schließlich mit finsterer Miene nickte. Der Preis wurde akzeptiert, der Patriarch fand es unter seiner Würde zu handeln. William hingegen schien sein Glück und den gewonnenen Reichtum kaum zu fassen. Schon befürchtete ich, er würde hier im Palast vor dem Dogen, dem Patriarchen und der gesamten Dienerschaft aufspringen und jubelnd umhertanzen. Er schaffte es dann aber doch, sich so lange zu beherrschen, bis wir den Palazzo wieder verlassen hatten und das Gebäude erreichten, in dem wir mit dem Gesinde untergebracht waren.
    »Wir sind reich!«, rief er und wirbelte mich umher. »Ich werde dich mit Juwelen und den teuersten Kleidern behängen, ich werde …«
    »Du wirst das Geld schön sparen«, unterbrach ich streng seine Jubelgesänge, doch insgeheim war auch meine Freude groß, allein deshalb, weil er so glücklich war. Wir liebten uns auf der schmalen Bettstatt der Kammer, jedoch nicht so hastig und gierig wie damals im Bach. Zunächst war da immer noch der Gedanke an die Hölle, doch der wurde bald durch die immer größer werdende Erregung und Lust, die William mir bereitete, verdrängt. Als ich danach an seiner Schulter lag, geborgen und müde, erzählte er mir leise murmelnd wie ein ruhig dahinfließender Fluss von jener gemeinsamen Zukunft, die nun vor uns lag. Ein Haus war Teil dieser Zukunft und Kinder und all die Dinge, die man sich für ein glückliches Leben wünscht. An diesem Abend gestand ich mir zum ersten Mal ein, dass aus all dem Erlebten, aus dem Gemeinsamen, der Nähe und der Vertrautheit Liebe geworden war.
    Doch nun, während er im Schlaf immer noch wohlig seufzte, lag ich wach, mit Aufruhr in meinen Gedanken. Ich dachte an meine Mutter, die der Doge gekannt hatte. Konnten all die Dinge, die er von ihr behauptete, wahr sein? Hatte sie gelogen, betrogen, einen König getäuscht und einem Mörder bei seinen schrecklichen Taten zur Seite gestanden? Einem Mörder, der mein Vater war – den ich auf der ganzen Welt suchte, nach dem ich mich sehnte? War er wirklich jener Mann in Prag, der dem Dogen das Messer ins Herz gestoßen hatte? Wie im Traum zogen die Bilder an mir vorüber. Die Schemen der Dommauern, der Rauch, die beiden Männer in Prunkgewändern, von denen der eine gleich sterben würde. Die schwarze Gestalt mit der Glut in den für einen Moment auf mich gerichteten Augen. Der blitzende Dolch, das in der Nacht schwarze Blut.
    War ich tatsächlich die Ausgeburt eines Mörders und einer Hure? Ich blickte hinaus, dorthin, wo der Nebel die Häuser und Kanäle verschluckte. Wieder roch ich den Moder, den Verfall, der auf allem lastete. Ich

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