Die Knochentänzerin
angestellt, ob eine Umverteilung der Macht zum Wohle der Serenissima nicht sinnvoll wäre. Als sie schließlich mit ernsten Mienen verschwunden waren, hatte er zunächst wütend den edelsteinverzierten Silberkelch gegen eine in Fresken gefasste Bibelszene geschmettert, dann den Diener zusammengestaucht, er solle die Sauerei aufwischen, um schließlich, als die Wut langsam verraucht war, nachdenklich zu werden. Welche Konsequenzen würde seine Fehleinschätzung der beiden Senatoren nun nach sich ziehen?
Nun, da der Schmerz in seinem Magen wühlte, bekam er es richtig mit der Angst zu tun. Hatten die beiden also noch in der Nacht den Rat aus den Betten geholt, damit dieser beschloss, ihn zu vergiften? Faliero läutete hektisch nach dem Diener und ließ sich eine Pfauenfeder und eine Schüssel bringen. Würgend erbrach er sein Abendessen. Der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn.
»Aluicha!«, schrie er. »Verflucht, wo bist du?«
Sie betrat den Raum in ihrer typischen Art. Wie eine neugierige Katze, mit jener Mischung aus vorsichtiger Anmut und provozierendem Zögern. So wie er dasaß, den Kopf über der Schale in die Hände gestützt, das Gesicht grau vor Übelkeit, wurde ihm einmal mehr der Gegensatz bewusst: ihre kühle, undurchschaubare jugendliche Schönheit als Kontrast zu seinem vom unaufhaltsamen Verfall des Alters heimgesuchten Körper. Er sah, wie sich ihr Gesicht vor Ekel verzog. Selbst so war sie noch schön wie eine Göttin.
»Sie haben mich vergiftet«, keuchte er.
Sie blickte auf die Alabasterschale. Ihr Mienenspiel wurde mit einem Mal mild, und ihr Tonfall klang beruhigend. »Von wem sprichst du?«
»Von Vendramin! Grimani! Dem Rat!«
»Womit denn?«
»Was?«
Aluicha lächelte immer noch ruhig und verständnisvoll. »Womit haben sie dich vergiftet?«
»Mit …« Faliero zögerte. »Mit dem Abendessen. Nicht einmal die Köche kann ich mir selbst …«
»Warte.« Aluicha strich ihm wie einem Kind beruhigend über die Wange. »Wann waren sie da?«
»Vendramin und Grimani?« Faliero dachte nach, dann stieß er einen Fluch aus.
»Also nach dem Abendessen.« Aluicha tätschelte seine Hand. »Na siehst du. Es ist nur dein unruhiger Magen. In deinem Alter ist das normal. Oder hast du später noch etwas gegessen?«
»Nein.«
»Also ist dir nicht das Abendessen, sondern die Antwort Vendramins und Grimanis auf den Magen geschlagen.«
Falieros Panik verwandelte sich erneut in Wut, die er gegen irgendjemanden richten musste. Außer Aluicha befand sich niemand im Raum. »Du!«, fauchte er. »Du hast gesagt, die beiden sind bestechlich und eitel wie der Vatikan! Jetzt kann mich dieser Irrtum mein Leben kosten!«
»Nicht
dein
Leben.«
»Was?«
Aluichas Sphinxlächeln blieb unverändert. »Ich glaube, du vergisst manchmal, dass man die Fäden in den Händen festhalten muss.
Du
bist der Lenker der Dinge, nicht Vendramin und Grimani. Das sind nur Spielfiguren, die nun nicht mehr in dieses Spiel passen und also ersetzt werden müssen.«
Faliero stieg der Geruch seines Erbrochenen in die Nase. Beinahe kam es ihm erneut hoch. Er schrie nach dem Diener und befahl ihm, die Alabasterschale wegzutragen.
»Wie meinst du das?«, fragte er Aluicha, nachdem der Vasall gegangen war. »Sie müssen
ersetzt
werden?«
Aluicha seufzte. »Tu nicht so, als seist du schwer von Begriff. Und du kennst auch die richtigen Leute, die wissen, wo die Lagune tief und verschwiegen genug ist, damit das, was auf den Meeresgrund gehört, auch dort bleibt.«
Falieros finsterer Blick war ins Leere gerichtet. Aluicha konnte sehen, wie er nachdachte, die Hände auf seinen Leib gepresst. Schließlich nickte er, als habe er einen Entschluss gefasst. Dann murmelte er: »Ich möchte bloß wissen, was mit meinem Magen los ist.«
Aluicha erhob sich. »Gift ist es jedenfalls nicht. Ich werde die Köche anweisen, zukünftig die Speisen schwächer zu würzen, und dein Mundschenk soll den Wein vor dem Servieren anwärmen.«
»Nichts da. Das fehlt mir gerade noch«, knurrte Faliero. »Am Ende rätst du, ich soll auf das Liebesspiel verzichten.«
»Das käme zuallerletzt«, lächelte Aluicha und zupfte den schweren Samtvorhang vor dem Fenster zurecht. »Apropos – was hast du mit der rothaarigen Hexe und ihrem angeblichen Gemahl vor, dieser Bohnenstange – obwohl, so übel sieht er gar nicht aus.«
Faliero versuchte den Stich der Eifersucht hinter einem Stirnrunzeln zu verbergen. »Woher weißt du vom Äußeren dieses Burschen?«
»Nun,
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