Die Knochentänzerin
Das hatte ich inzwischen begriffen.
Wenn ich Apollon wäre
– was aber wollte er damit sagen? Dass er mich begehrte? Beinahe schüttelte ich den Kopf über diese Gedanken. Über so einen Unsinn konnte ich nur lachen. Der Doge von Venedig, dessen Amt mit dem eines Königs vergleichbar war – zudem ein alter Mann –, sollte
mich
begehren? Ein rothaariges Gör, davongelaufen von einer Insel am Ende der Welt? Es war absurd. Ich beschloss, nicht mehr um den heißen Brei herumzureden, und fragte: »Ich bitte Euch, sprecht offen. Was genau wollt Ihr von mir?«
»Ich möchte dir dasselbe Angebot unterbreiten.«
»Welches Angebot?«
Der Doge und ich standen uns gegenüber. Seine Zungenspitze glitt über die Lippen. So wie er mich nun mit seinem Blick maß, kam ich mir plötzlich vor wie eine Ware auf dem Markt. Beinahe beiläufig erklärte er: »Du hast die Ehre, meine Konkubine zu werden.«
Ich schnappte nach Luft. »Wie bitte?«
Er hob die Hand. »Nur keine Aufregung! Es ist nichts Verwerfliches an meinem Angebot. Kannst du dir vorstellen, wie groß die Zahl derer ist, die davon träumen, die Konkubine des Dogen zu sein?«
»Ich habe einen Gemahl …!«
»Und ich eine Gemahlin. Daran gibt es nichts auszusetzen. Warum fragst du deinen Gatten nicht, was er davon hält? Ein Händler wie er wird vor allem die Vorteile sehen. Ich werde dich natürlich gut für deine Dienste bezahlen. Meinen Konkubinen ist es schon immer gut gegangen.«
Für einen Augenblick wusste ich nicht, was ich antworten sollte. Das Angebot des Dogen hatte mir buchstäblich die Sprache verschlagen. Dann, mit einem Mal, wallte der Zorn in mir hoch, so dass ich beinahe blind wurde. Ich sah nicht mehr, wer da vor mir stand, sondern fühlte nur noch, wie die Scham in mir wühlte. Wie konnte der da sich einbilden, er könne mich kaufen wie ein Stück Vieh. Bevor ich wusste, was ich tat, spuckte ich meine Verachtung auf sein glitzerndes Schuhwerk.
Auf meinen Zorn folgte Entsetzen. Was hatte ich getan? Wie konnte ich so die Beherrschung verlieren? Bestimmt würde es schlimme Folgen haben. Erzählte man nicht Schreckliches über Venedigs Kerker? Der Doge würde jetzt gleich die Wachen rufen und mich in einen solchen werfen lassen. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen. Doch plötzlich hörte ich, wie Faliero lachte.
»Du bist tatsächlich nicht nur das äußere Abbild deiner Mutter. Weißt du, was sie tat, als ich ihr eben diesen Vorschlag machte?«
Ich sah ihn nur mit großen Augen an. Er beantwortete seine Frage selbst: »Genau dasselbe.« Faliero schüttelte immer noch lachend den Kopf. »Es ist unfassbar. Aber ich sag dir was. Das reizt mich noch mehr. Ich liebe es, eine wilde Stute zuzureiten.«
Ich wollte etwas erwidern, doch in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und die schöne Gemahlin des Dogen stand im Raum. Ihre Augen sprühten Hass und Verachtung, und ihre Stimme spritzte Gift.
»Was wird hier gespielt? Was willst du schon wieder mit dieser kleinen Hure?«
Das musste ich mir nicht bieten lassen. Stolz hob ich den Kopf und sprach mit kühler Stimme zu ihr: »Euer Gemahl hat mir soeben ein ehrenhaftes Angebot unterbreitet.«
»Ach ja? Und welches?«
»Ich darf seine Konkubine werden.«
»Wozu brauchst du eine Hure«, lachte die schöne Gemahlin des Dogen verächtlich. »Du kannst noch nicht einmal mich richtig beglücken.«
Faliero schnappte nach Luft. Ihm fehlten die Worte. Vielleicht war dies mein Glück. Vielleicht hätte er mich aufgehalten und sofort in den Kerker werfen lassen, wäre er nicht so sprachlos gewesen – so völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Kaltschnäuzig nach außen hin, doch innerlich mit wild schlagendem Herzen nutzte ich die Fassungslosigkeit, die ihn lähmte. Erhobenen Hauptes schritt ich aus dem Saal. Apollon, Daphne und Kassandra, dachte ich dabei – und daran, was aus Daphne und Kassandra geworden war.
51
Bocca di leone
A luichas Zorn wütete in ihrem Inneren wie ein alles vernichtendes Feuer. Lange Zeit wurde sie von ihrer Wut so beherrscht, dass sie keinen einzigen klaren Gedanken fassen konnte, außer dass sie ihn töten wollte. Wie konnte er es wagen!
Dann verwandelte sich ihr Feuer in Eiseskälte, und mit einem Mal glaubte sie zu wissen, was zu tun war. Sie ließ sich Papier und Feder bringen und setzte sich an den Sekretär am Fenster. Auf der nachtschwarzen Lagune tanzten die Lampen der Fischerboote. Eine Weile starrte sie hinaus, versuchte kühl ihre Gedanken zu
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