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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Mörder, doch eins muss man ihm lassen: Er ist äußerst schlau. Er hat sich in Luft aufgelöst, als stünde er mit dem Teufel im Bund.« Faliero warf mir einen lauernden Blick zu. »Ich dachte, du weißt vielleicht, wohin er geflohen ist.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Und wenn, dann würdest du es mir nicht sagen«, grinste der Doge.
    In meinem Inneren herrschte Aufruhr, doch ich gewährte Faliero keinen Blick hinein. Mit ruhiger Stimme fragte ich: »Ihr habt einmal erklärt, Ihr hättet meiner Mutter ein Angebot unterbreitet, das sie jedoch ablehnte. Sie sollte Euch zu Diensten sein. War das ihr zweiter Fehler?«
    Faliero schlug die Beine übereinander und nickte.
    »Was genau bedeutet das? Was muss man tun, wenn man Euch
zu Diensten
ist?«
    »Ich bot deiner Mutter an, meine Konkubine zu werden.«
    »Ihr meint, Eure Hure.«
    »Nein, nicht eine von den billigen Huren, von denen es in Venedig im Übermaß gibt. Meine Konkubine zu sein ist sehr ehrenhaft.«
    Meinte er dies tatsächlich im Ernst? Ich lachte. »Auch in den Augen Eurer schönen Gemahlin?«
    Der Doge überhörte meinen Spott. »Die Konkubine eines Dogen genießt einen ausgezeichneten Ruf und wird von vielen bewundert und beneidet. Nicht offiziell natürlich. Sie kann es zu ansehnlichem Reichtum bringen, mit gutem Einkommen, einem eigenen Haus, Dienerschaft, Schmuck und vielem mehr. Es gibt weit schlimmere Schicksale in Venedig.«
    »Für meine Mutter nicht, wie es scheint. Hätte sie sonst den Tod auf dem Scheiterhaufen gewählt?«
    Falieros Lippen wurden schmal. Ich hatte wohl einen wunden Punkt berührt. Doch sofort gewann er seine Beherrschung zurück, und sein Lächeln war so freundlich wie der Morgen über der Lagune. »Wir wollen Alberegno nicht länger warten lassen. Er ist berüchtigt für seine Launen. Am Ende ist er beleidigt und weigert sich, seinen Auftrag auszuführen.«
    »Welchen Auftrag?«
    »Dich zu malen, selbstverständlich.«

50
    Apollon, Daphne und Kassandra und was aus Letzteren wurde …
    J acobello Alberegno war einer jener Menschen, die mit ihren Bewegungen, Gesten und Worten einen ganzen Raum vereinnahmen, sobald sie ihn betreten – wie groß dieser auch immer sein mochte. Er hingegen war kleinwüchsig. Dennoch dachte möglicherweise manch einer, er sei in einen Wirbelsturm geraten, nachdem er dem Maler begegnet war. Er fegte herein, stand niemals still, begleitete jedes Wort mit einem halben Dutzend Bewegungen und erstickte alles, was man dem entgegenzusetzen versuchte, im Keim, ohne dass man sich je ganz im Klaren war, wie er das bewerkstelligte. Gekleidet war er in bunten Farben wie ein Geck, doch der Ernst, mit dem er sprach, und die Selbstironie in seinen spöttischen Augen widersprachen diesem ersten Eindruck. Ein gezwirbeltes Bärtchen passte nicht zu den sinnlichen Lippen, die kurze Nase zeigte himmelwärts, ebenso wie zumeist die Theatralik seiner Hände. Doch, wie gesagt, am meisten fiel an ihm auf, dass er niemals den Anschein erweckte, als sei er einfach nur anwesend. Alles an ihm war ein reißender Strudel. Ich fragte mich, wie ein Mensch wie er auch nur einen vernünftigen Strich zu Papier bringen sollte. Vielleicht mochte er mit diesem Temperament dazu taugen, Stürme, Unwetter und Gewitter zu malen – aber doch niemals einen Menschen, der einfach nur dasaß und nicht von irgendjemandem oder irgendetwas gehetzt oder verfolgt wurde!
    Zunächst lenkte mich jedoch all dies von der Frage ab, die ich mir ernsthaft gestellt hatte, bevor er hereingewirbelt kam: nämlich, ob ich tatsächlich zulassen sollte, dass er mich im Auftrag des Dogen porträtierte. Ehe ich mich’s versah, hatte er mir einen Umhang aus mit Goldfäden durchwirkter Seide übergeworfen, mich zum Sofa dirigiert und seine Aufforderung, ich solle mich setzen, mit einem sanften, aber zielgerichteten Stoß unterstrichen.
    »Halt, nein nicht so«, verbesserte er, gab jedoch sofort ein Dutzend anderer Anweisungen, die alle vorherigen widerriefen. Nun stand er tatsächlich für einen Wimpernschlag wie erstarrt, ein Stillstand, den er sofort mit hektischen Bewegungen wieder wettmachte, als fürchtete er, Ruhe bedeute Tod. »Natürlich geht das so nicht!« Für einen so kleinen Mann klang seine Stimme erstaunlich tief. »Ein solcher Umhang aus Seide und Gold verträgt nur einen Untergrund: die nackte Haut einer Frau.« Er trat zurück, schien Maß für irgendetwas zu nehmen, wobei sein Zeigefinger von der Stirn zur Nasenspitze, zum Kinn und wieder zurück

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