Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
Vom Netzwerk:
aber.« Der Lord hob tadelnd den Finger. »Wer wird denn gleich ans Weglaufen denken.«
    »Ihr habt sie köpfen lassen, weil …«
    »Schsch!«, zischte er und wiegte väterlich den Kopf. »Das verstehst du nicht, musst du auch nicht, Mädchen.«
    »Woher wisst Ihr …«
    »Was?«
    »Dass ich Mädchen …«
    »Du heißt
Mädchen
? Einfach nur
Mädchen
?« Er kicherte.
    »Cailun! Das ist irisch und bedeutet …«
    »Mädchen, ja.« Er wollte nicht aufhören zu grinsen.
    Das Gespräch nahm gewiss einen anderen Verlauf als von mir gewünscht. Mit einem Mann, der seine Frau köpfen ließ, weil sie ihm nicht mehr
genügte,
wollte ich nicht über meinen Namen diskutieren. Ich wollte gar nichts mit ihm zu tun haben – nur so schnell wie möglich weg von hier!
    »Ich würde … jetzt gerne«‚ begann ich stotternd.
    »Gleich. Gleich kannst du speisen. Mit mir.«
    »Ich …«
    »Warte. Erst will ich dir noch sagen, was du wissen musst.« Er erhob sich, ein kleiner, dürrer alter Mann, der gebrechlich wirkte und beinahe kleiner schien als seine Hunde. Er trat zu mir, bis auf eine Armlänge. Jetzt sah ich, woraus der Gürtel gemacht war, der sein Gewand zusammenhielt. Zähne, feinsäuberlich aufgereiht auf einer Schnur. Die übrigen Hunde erhoben sich, ebenso steif wie der andere, und liefen schwanzwedelnd zu ihrem Herrn, der ihnen die Köpfe tätschelte.
    »Noch nie«, er lächelte beinahe verträumt, »noch nie ist mir ein Weib begegnet so schön wie du.«
    Wieder fiel mir nichts ein, was ich erwidern könnte. Alles, was mir gelang, war, ihn anzustarren.
    »Haare wie Feuer, Augen wie Smaragde und Haut so weiß wie Ziegenmilch«, schwärmte er weiter, hob die Krallenhand und strich mir damit über die Wange.
    Ich zuckte zusammen. »Nicht …«
    Vorsichtig zog er die Hand zurück. »Du wirst dich schon daran gewöhnen. Ich werde dir ein prächtiges Gewand nähen lassen und dich mit Gold und Silber schmücken.«
    Worauf wollte er hinaus? Ich wurde immer unruhiger.
    »Für dich ist es natürlich eine Ehre. Schließlich …«‚ hier hielt er theatralisch inne, bevor er fortfuhr: »Schließlich wirst du das Weib von Lord Eachann von Colbhasa …«
    »Was?« Was hatte der Alte soeben gesagt? Ich musste mich verhört haben.
    »Du wirst mein Weib.« Gewichtig hob und senkte er den fast kahlen Schädel.
    »Niemals!« Der Schrei entfuhr mir, bevor ich es verhindern konnte.
    »Doch.« Er korrigierte. »Oder – halt, sag mir doch, was stört dich an meinem großzügigen Angebot?«
    Wieder plapperte mein Herz. »Wenn ich heirate, will ich einen jungen Mann.«
    »Ah! Daran liegt es also.« Er nickte verstehend.
    »Ja.«
    »Gut.« Ich werde darüber nachdenken. Komm jetzt. Der Hammel müsste fertig sein.« Er schnupperte. »Riechst du nicht den Braten?«

    Der Hammel schmeckte abscheulich. Ich hasse Schaffleisch. Schon auf Icolmkill verursachte mir der Geschmack Brechreiz. Bei den Nonnen gab es beinahe nichts anderes: Brot und Schaf. Oder Schaf mit Brot. Sogar das heilige Brot schien nach Schaf zu schmecken. Dieser Bock ließ an seiner Spezies schon gar keinen Zweifel aufkommen. Trotzdem, nach einem ganzen Tag ohne Essen, nach einer Sturmfahrt auf dem Meer mit anschließendem Schiffbruch, würgte ich hungrig ein paar Brocken hinunter. Blieb die Frage, ob mein Widerwille vom Fleisch kam oder von der Gesellschaft, der ich beiwohnte. Die Nonnen jedenfalls hatten mich andere Tischmanieren gelehrt. Und hier gab’s nicht mal Brot, sondern einen schmierigen Brei aus einer einzigen Schüssel, den sich die Männer zu den faustgroßen Hammelbrocken mit den bloßen Händen in den Mund schaufelten. Holzlöffel schienen hier jedenfalls unbekannt – ebenso wie ich nur finstere Blicke erntete, als ich vor dem ersten Happen die Hände faltete und den Kopf zum Gebet senkte.
    Die Tafel – wenn man das mannsdicke Brett, das auf Kisten lagerte, so nennen mochte – war geschmückt mit dem Bock, der aus geschwärzten Augenhöhlen glotzte, mit Weinhumpen so groß wie Abtritteimer, mit besagter Breischüssel und den Dolchen, die meine Mitesser in das Holz gerammt hatten.
    Lord Eachann von Colbhasa thronte an der Stirnseite der Tafel. Ebenso wie seinen Anführer, krönte nun ein Widderkopf sein Haupt, nur dass dessen gedrehte Hörner vergoldet waren. Überhaupt hatte der Fürst sich mächtig herausgeputzt. Sein Gewand war jetzt purpurn, wenngleich er seinen fetttriefenden Dolch nach jedem Bissen daran abwischte. Ebenso nach jedem Bissen zwinkerte er mir

Weitere Kostenlose Bücher