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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin
Autoren: Corinna Neuendorf
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Nerven!«, platzte es aus Hilde heraus. »Ihr habt mir versichert, dass das Mädchen keine Anverwandten hat!«
    »Dem ist auch so.«
    »Und woher kommt dann ihre Schwester?«
    Lohweihe schnappte nach Luft. »Ihre Schwester?« Er hatte sich also doch nicht getäuscht!
    Die Hurenwirtin nickte. »Ja, ihre Schwester. Ich kann nicht einmal behaupten, dass sie lügt. Das Mädchen hat sie sofort wiedererkannt, und die Ähnlichkeit der beiden ist recht groß.«
    Das hatte er soeben auch festgestellt. Der Vorschlag, sie könne die Blonde doch auch zu einer ihrer Huren machen, blieb ihm im Halse stecken. Nicht nur, dass die Schwester der Kleinen deutlich wehrhafter war, sie arbeitete auch in einem angesehenen Haus, und es stand zu vermuten, dass Meister Ringhand sie zurückholen würde.
    »Was wollt Ihr tun?«, fragte Lohweihe, während sein Blick die nassen Spuren zu seinen Füßen streifte.
    Hilde verzog das Gesicht, so dass ihre Nase Falten schlug. »Gewiss nicht das Geld verschwenden, das ich Euch damals gezahlt habe! Ich habe der Blonden eine Frist gesetzt, innerhalb der sie ihre Schwester auslösen kann. Tut sie das nicht, und davon gehe ich aus, werde ich die Jungfräulichkeit des Mädchens versteigern.«
    Der Hauptmann brauchte eine Weile, um Hildes Worte zu verdauen und ihre Bedeutung für ihn zu erkennen. Der Tod des Knopfmachers in Udenheim war nicht rechtens gewesen. Ebenso wenig wie die Entführung des Mädchens. Hilde konnte ihre Hände in Unschuld waschen, denn sie hatte ihm die Kleine bloß abgekauft. Aber was war mit ihm selbst …
    Das Mädchen weiß nicht, dass ich dahinterstecke, versuchte er sich zu beruhigen. Und selbst wenn sie es wüsste, was will sie schon tun? Ihr Vater hatte Aufständische beherbergt, und nach der Halsgerichtsordnung stand darauf ebenso eine Strafe, wie wenn man selbst bei diesen Bauernrotten mitmachte.
    »Was wollt Ihr denn noch?«, schnarrte die Hurenwirtin ungeduldig. »Meine Zeit ist kostbar.«
    Auf einmal kam Lohweihe eine Idee. Würde die junge Knopfmacherin ihre Schwester auch dann zurückhaben wollen, wenn sie bereits zur Hure geworden war? Meister Ringhand würde gewiss nicht zulassen, dass solch ein Mädchen in seinem Haushalt unterkam. Außerdem konnte er sich auf diese Weise an Melisande für die Schmach rächen, die sie ihm bereitet hatte.
    »Wie wäre es, wenn Ihr die Jungfräulichkeit des Mädchens schon heute Abend versteigert?«, schlug er vor.
    Die Alte zog die Augenbrauen hoch. »Warum sollte ich das tun?«
    »Um den doppelten Preis zu erzielen«, gab Lohweihe listig zurück, wobei er seine innere Unruhe zu verbergen suchte. »Wenn das Mädchen die geforderte Summe aufbringen kann, könnt Ihr sie ja trotzdem freigeben. Aber zuvor sollten die Freier ihren Spaß mit dem Ding haben.«
    Auf dem Gesicht der Hurenwirtin erschien ein Lächeln. »Ihr seid wirklich ein sehr kluger Mann. Ein gefährlich kluger Mann.«
    »Vielleicht werde ich ja mitsteigern«, setzte er hinzu, was die Laune der Frau noch weiter hob. »Und natürlich werde ich allen meinen Bekannten Bescheid geben. Ich wette, von denen hat noch keiner eine rote Stute zugeritten.«
    Den ganzen Tag lang war Melisande nicht dazu fähig gewesen, irgendeine Arbeit mit Herzblut zu verrichten. Während sie die Totenfrauen einließ und in das Sterbezimmer geleitete, hatte sie wieder vor Augen, wie der Stadtvogt im Haus ihrer Eltern umhergegangen war. Und ab und zu gaukelte ihr Verstand ihren Augen vor, dass der Mann im Bett nicht Aloius Ringhand, sondern ihr Vater war, dem sie versprochen hatte, Alina zurückzubringen.
    Rasch verließ sie die Kammer, um Tücher und einige andere Dinge zu holen, die die Totenfrauen benötigten.
    Als schließlich der Sarg gebracht wurde, musste sie Grete in ihre Kammer geleiten. Der Anblick war zu viel für die Haushälterin. Angesichts der Trauer, die Grete um den Meister zeigte, fragte sich Melisande, ob sie doch heimlich in ihn verliebt gewesen war.
    Als sich der Tag dem Ende zuneigte und die Sterne am Himmel aufflammten, entfloh Melisande dem süßlichen Geruch, der durch das Haus waberte. Sie trat vors Haus und schaute hinauf in das Dunkel.
    Ein wenig mulmig war ihr schon zumute, immerhin könnte ihr der seltsame Angreifer erneut im Stall auflauern. Doch ihr Gefühl sagte ihr, dass sie auf der Türschwelle sicher war. Jedenfalls in diesem Augenblick.
    Ach, Alina, dachte sie, während ihre Gedanken zum Hurenhaus abschweiften. Wenn ich dich doch nur endlich aus deiner Hölle
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