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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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einen Schritt von der Tür zurück. Die Katze neben ihm schreckte zusammen und sprang vom Sims herunter.
    Erleichterung überkam ihn, als er in das vertraute Gesicht blickte. Das Haar des Alten war mittlerweile schlohweiß, und die vielen Falten wirkten wie eine Landkarte des Lebens, das er geführt hatte.
    »Wer ist da?«, fragte der Mann, während er an Joß vorbeischaute.
    Die Wiedersehensfreude verflog schnell, als der Besucher den weißen Schleier über den Augen des Mannes bemerkte. Petrus war blind.
    »Ich bin es, Joß«, antwortete er erschüttert. »Petrus, was ist Euch geschehen?«
    »Joß?«, fragte der Mann unverständig. »Der Sohn von Melchior Fritz?«
    »Ja, der bin ich.«
    »Mein guter Junge. Dass du mich noch nicht vergessen hast. Komm herein.« Während der Alte den Gast mit starrem Blick fixierte, trat er von der Tür zurück.
    »Ich habe Euch nie vergessen. Nur sind in den letzten Jahren einige Dinge geschehen, die mich davon abgehalten haben, Euch zu besuchen.«
    »Ja, es war eine lange Zeit.« Der Alte tastete sich voran. Joß traten Tränen in die Augen. Beim letzten Besuch war der Freund seines Vaters noch ein agiler Mann gewesen. »Es dauert alles ein bisschen länger, seit ich nicht mehr sehen kann«, erklärte Petrus.
    »Wie ist es geschehen. Habt Ihr Euch verletzt?«
    »Nein, nicht dass ich wüsste. Ich nehme an, dass meine Augen müde geworden sind, die Tollheiten der Welt zu betrachten. Aber setz dich doch, mein Junge! Oder nein, nimm dir erst einmal etwas Milch. Die Frau, die mir hin und wieder aushilft, hat sie frisch gemolken.«
    »Ich danke Euch«, entgegnete Joß, während er sich suchend umsah. Die Milch stand auf einem Schemel unter dem Fenster. Nachdem er sich und Petrus einen Becher eingegossen hatte, kehrte er zum Tisch zurück.
    »Was hast du denn in all den Jahren getrieben? Hoffentlich nichts Unehrenhaftes.«
    Joß Fritz umklammerte beklommen den Becher. Soll ich ihn mit meinem Wissen belasten?, fragte er sich. Die Häscher des Bischofs werden bestimmt nicht bei ihm aufkreuzen, aber vielleicht verurteilt er, was ich getan habe. Zwar ist auch er kein Freund der Pfaffen, doch er würde nie und nimmer an der Obrigkeit rütteln.
    »Nein, unehrenhaft war es nicht. Ich habe mich um arme Menschen gekümmert und versucht, ihnen zu einem besseren Leben zu verhelfen.«
    »Deines Vaters Bauernstelle hast du also nicht übernommen?«
    »Nein, Ihr wisst doch, dass er alles meinem Bruder vermacht hat. Ich war mal hier und mal da und habe versucht, Not zu lindern. Eine eigene Bauerstelle habe ich nicht bekommen«
    »Ein Weib hast du demnach auch nicht.«
    Joß dachte wieder an die Töchter des Knopfmachers. Obwohl auch die Älteste wesentlich jünger war als er selbst, hätte er sich durchaus vorstellen können, sie zu freien.
    »Nein. Aber sorgt Euch nicht, eines Tages werde ich heiraten und Kinder haben. Zuerst muss ich jedoch ein Versprechen einlösen.«
    »Halte mich nicht für neugierig, aber worum geht es denn?«, sagte der Alte.
    »Eines, das ich einer jungen Frau gegeben habe. Sie benötigt meine Hilfe in einer Sache.«
    Der zahnlose Mund des Alten verzog sich zu einem Lächeln.
    »Es ist nicht das, was Ihr denkt. Meine Ehre nötigt mich dazu, ihr zu helfen. Danach werde ich mich all den anderen Dingen widmen.«
    »Nun denn, wenn du das sagst, Junge«, entgegnete Petrus. Sein Lächeln war allerdings noch immer nicht verschwunden. »Lass dir aber nicht zu viel Zeit, um dein Glück zu finden. Wie du an mir siehst, hasten die Jahre nur so dahin. Ehe man es sich versieht, ist man zu alt oder wird von einer tückischen Krankheit heimgesucht. Die Pest hat im vorigen Jahr so manchem Mann den Garaus gemacht.«
    Die beiden saßen für einen Moment schweigend da.
    »Aus welchem Grund bist du sonst noch hier?«, fragte Petrus schließlich.
    »Ich wollte Euch fragen, ob ich eine Weile bei Euch bleiben kann. Wegen meines Versprechens habe ich hier in der Stadt zu tun. Wenn Ihr wollt, kann ich Euch im Gegenzug ein wenig helfen.«
    Der Alte starrte ihn aus leeren Augen an. »Hilfe benötige ich eigentlich nicht. Aber meine Tage sind sehr einsam, etwas Gesellschaft tut mir daher sicher gut.«
    »Dann werde ich Euch Gesellschaft leisten, so lange mein Auftrag dauert.«
    »In Ordnung, mein Junge, du kannst bleiben. Aber ich rate dir, halte dich von Ärger fern. Die Männer des Bischofs sind dieser Tage sehr wachsam, man munkelt, dass sie den Mann suchen, der in Bruchsal die Bauern gegen den Bischof

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