Die Köchin und der Kardinal
Selbst Agnes, die sich im Kloster sehr zurückgezogen hatte, blickte nun wieder offener und freundlicher in die Welt. Dort war das Ooser Tor, neben dem von den Belagerern ein Loch in die Mauer geschossen worden war. Davon war jetzt nichts mehr zu sehen. Elisabeth dachte an den Abend, an dem sie Jakob unter den toten Habsburgern gefunden und ihn zusammen mit Hermine in die Gartenlaube des Schlosses gebracht hatte. War das wirklich erst im letzten Herbst gewesen? Die Zeit kam ihr endlos lange vor. Sie hielt den Ochsenkarren vor dem Rathaus an und holte sich eine Lizenz für einen Stand auf dem Markt. Die Stadt war voller fremder Söldner, die mit einem eigentümlichen Akzent sprachen.
»Die Österreicher haben hier ihr Winterquartier bezogen«, teilte ihr die Standnachbarin, eine dicke, freundliche Frau in derber Bauerntracht, mit.
»Und wie lebt es sich unter ihnen in dieser Stadt?«, fragte Elisabeth.
»Ach, ich komme nicht oft her, aber an den Markttagen ist es hier ganz schön lebendig. Und es ist mir allemal lieber, wenn die Soldaten einen ordentlichen Preis für die Ware bezahlen, als wenn sie nur rauben und plündern.«
»Wer bezahlt die Soldaten denn?«, wollte Elisabeth wissen.
»Markgraf Wilhelm«, antwortete die Bäuerin. Wie gern erinnerte sich Elisabeth an die Tage, die sie im markgräflichen Schloss verbracht hatte!
»Und es ist mir eins, wes Religion ich ausüben soll«, setzte die Bäuerin hinzu. »Hauptsache, die Meinen und ich haben genug im Keller und in den Töpfen!«
Elisabeth pflichtete ihr bei. Bis zum Mittag war schon die Hälfte der Likörflaschen verkauft. Sie schienen die österreichischen Soldaten anzulocken wie die Blüten die Bienen. DieSöldner machten Elisabeth Komplimente und warfen auch Agnes manchmal ein Wort zu. Die schien größer zu werden, je mehr sie von den Männern beachtet wurde. Nachdem Elisabeth es abgelehnt hatte, mit den Soldaten etwas trinken zu gehen, erklärte Agnes sich sofort dazu bereit. Elisabeth knuffte sie in die Seite.
»Das kannst du doch nicht machen«, raunte sie ihr zu. »Willst du in der Stadt als Soldatenliebchen angesehen werden?«
»Es ist mir gleichgültig, als was ich angesehen werde, Hauptsache, ich werde überhaupt angesehen«, zischte Agnes zurück. »Du kannst mir überhaupt nichts verbieten!«
»Und ob ich das kann«, sagte Elisabeth, nun etwas lauter. »Du bist noch keine siebzehn Jahre alt.«
»In dem Alter sind andere Frauen schon längst verheiratet!«, rief Agnes. Sie hatte Tränen in den Augen. »Lass mir doch wenigstens ein Mal meinen Spaß. Im Kloster komme ich noch um vor Langeweile!«
»Jetzt lasst das Mädle schon ziehen«, bemerkte die Bäuerin. »Die könnt Ihr eh nicht halten.«
»Also gut«, erklärte Elisabeth. »Aber du bist in einer Stunde wieder zurück!«
Mit geröteten Wangen zog Agnes ab, flankiert von den drei jungen Söldnern. Es ging schon auf den Nachmittag zu, die Schatten wurden länger. Neben den Söldnern kamen auch Badegäste, die freudig den Klosterlikör kauften. Die Stunde war schon längst um. Elisabeth wurde es mulmig zumute. Wo blieb Agnes nur so lange? Warum hatte sie nicht gefragt, in welche Wirtschaft die Soldaten mit ihr gehen wollten? Elisabeth packte die übriggebliebenen Flaschen zusammen und verstaute sie auf dem Karren. Sie verabschiedete sich von der Bäuerin und wünschte ihr viel Glück. Elisabeths erster Gedanke war, in den »Roten Ochsen« zu gehen. Ob Paul und Melvine dort wohl noch das Schankrecht ausübten? Sie band den Ochsen an einem Ring in der Gasthausmauer fest und trat ein. Tatsächlich, Paulund Melvine waren da. Sie bewirteten Söldner und Badegäste, wie in alten Zeiten. Strahlend kamen sie auf Elisabeth zu.
»Wir wussten, dass Ihr wieder in der Stadt seid«, sagte Melvine und nahm sie in den Arm. »Und das Klostergewand steht Euch recht gut, muss ich sagen.«
»Woher wusstet Ihr denn, dass wir hier im Kloster sind?«
»Eure Schwester Agnes war doch bei uns, bis vor einer Weile.« Elisabeth kroch etwas Kaltes den Rücken herauf. Ihr Herz begann zu hämmern.
»War sie in Begleitung von drei Soldaten?«, wollte sie wissen.
»Ja, und sie hat ihnen ganz schöne Augen gemacht«, warf Paul ein. »Dazu Bier und Wein getrunken.«
»Und Schnaps«, ergänzte Melvine und rollte mit den Augen. »Aber so ist sie halt.«
»Ihr müsst uns bald wieder besuchen kommen!«, meinte Paul noch, bevor er zum Tresen lief, um ein frisches Bier zu zapfen. Elisabeth drückte Melvines
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