Die Koenigin der Wolle
aber dasselbe Datum nannte. Sie hatte einen Mann geküsst, der... sie rechnete nach... über zwanzig Jahre älter war als sie selbst. Und hatte es genossen.
„Sechsundfünfzig Jahre! Und heiß wie die Hölle”, flüsterte Rose in die Stille ihres Wohnzimmers hinein.
Spielte das Alter überhaupt eine Rolle? Eher nicht, wenn sie an diesen unglaublichen Kuss dachte. Sich die Bilder, die sich von Alexander Sterling im Internet finden ließen, anzuschauen, war keine kluge Idee, wie Rosalind erschrocken feststellte. Sie brachten ihr Herz dazu, auf ganz und gar ungesunde Weise zu schlagen - viel zu schnell und viel zu heftig.
***
Die fertige Fassung des neuesten Krimis ihres Expartners ließ Lydia Goodfellow schon beim Überfliegen des ersten Kapitels aufhorchen. Die Story unterschied sich von Allem, was er bis dahin zu Papier gebracht hatte. Er hatte ihr das Manuskript mit Schwung auf den Schreibtisch gepfeffert, ihr viel Spaß beim Schmökern gewünscht und war grinsend wieder abgerauscht. Sie las den Entwurf abends im Bett, bewaffnet mit einer Schachtel Pralinen. Erst nach der letzten Seite legte sie das gebündelte Papier beiseite. Gott, sie wünschte, sie hätte jemals solchen Sex mit Alex gehabt, wie er ihn in diesem Buch beschrieb! Die Pralinenschachtel neben ihr war leer. Seine Schreibkunst hatte mal wieder ihren Tribut gefordert.
Es bedurfte nur einer kurzen Besprechung mit den Verantwortlichen des Buchverlages, dann war die Veröffentlichung des neuen Basil St. John-Romans beschlossene Sache. Die Redakteurin war begeistert von dieser neuen Seite des Privatermittlers. Dass Frauen nicht die einzige Neuerung an Sterlings Roman waren, bemerkte sie bei einem Blick auf die Widmung, auf die der Autor ausdrücklich Wert legte. Keines seiner bisherigen Bücher war irgendwem gewidmet. Diesmal würde die kryptische Botschaft ‘Für die Königin der Wolle. Ich habe mein Bestes gegeben.’ auf der ersten Seite prangen.
„Was meinst du damit?”, fragte Lydia neugierig.
„Ich meine es so, wie es da steht. Die Person, der das Buch gewidmet ist, wird schon wissen, dass sie gemeint ist.” Damit war für Alexander die Diskussion beendet. Dafür brannte ihm etwas anderes unter den Nägeln. „Wie ist das eigentlich mit Hörbüchern? Würde es sich lohnen, aus diesem Buch eins zu machen? Ich hätte sogar Zeit, es selbst einzulesen.”
Sally vom Buchverlag war bei seiner Frage der Unterkiefer heruntergeklappt. Nicht im Traum hätte sie es von sich aus gewagt, ihm ein Hörbuch anzutragen.
„Es würde sich garantiert lohnen! Mit deiner Stimme und diesem Buch könnten wir Rekorde brechen, Alexander. Ein grandioser Einfall!” Innerlich hörte sie schon die Kasse klingeln.
„Also gut, mach’ einen Termin dafür aus. Warum nicht mal ein Hörbuch? Vielleicht macht sowas ja sogar Spaß.” Alexander lächelte in sich hinein.
Gut eine Woche später opferte Alexander Sterling vier volle Tage, um in einer kleinen Kammer sein Buch einem Publikum von gerade einmal fünf Leuten vorzutragen. Von den fünf Zuhörern waren zudem mindestens zwei, Lydia und eine andere Frau, überflüssig. Was er in der Abgeschiedenheit seiner schalldichten Kabine nicht bemerken konnte, war, dass die anwesenden Frauen beim Zuhören regelrecht dahinschmolzen. Der Toningenieur hingegen hatte seine Schwierigkeiten damit, Alexanders tiefe Stimme bestmöglich zur Geltung zu bringen. Als endlich alle mit dem Ergebnis zufrieden waren, fragte sich der Schriftsteller ernsthaft, ob er sich mit dieser Aktion nicht vollkommen lächerlich machte. Immerhin, die ganze Vorleserei geschah einzig und allein für und wegen einer jungen Frau, die ihn vermutlich längst vergessen hatte. ...und die dieses Buch wahrscheinlich nie in den Händen halten würde.
***
Dass Rosalind Fielding ihre Zufallsbekanntschaft auch nach Fertigstellung der zweiten Socke nicht vergessen konnte, zeigte sich daran, dass ihr gesteigertes Interesse sie ständig an ihren Computer trieb. Sie fand immer ein neues Detail im Leben des Alexander Sterling, das sie im Internet recherchierte. Nicht, dass der Begriff Recherche für Schnüffeleien passend gewesen wäre, aber er klang wesentlich wissenschaftlicher.
Nach ein paar Tagen erregte ihre neuerwachte Liebe zum Internet sogar die Aufmerksamkeit ihrer Mitarbeiterin Janice.
„Sag’ mal, Süße, wieso sehe ich jedes Mal, wenn du deinen Computer anschaltest, ein Bild diese grauhaarigen Herrn? Wer ist der denn?”
„Ein
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