Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
insofern behagt, als sie ihn nicht so passiv erscheinen lässt. Passiv? Wie komme ich jetzt darauf?
Es wird Zeit, dass ich einmal in meinem Leben tätig werde. Bevor Alexander geht, küsse ich ihn noch einmal, doch er ist nicht recht bei der Sache (natürlich, er ist beschäftigt, er hat andere Ziele). Kontrolle, auch gut, wer bin ich denn, bin doch auch im Inneren klar strukturiert und zielorientiert, wenn es drauf ankommt. Reiß ich mich eben zusammen. Was kann so ein bisschen Nähe schon ausmachen? Nur so viel, wie ich sie ausmachen lasse. Die Grenze muss ich ziehen, also ziehe ich sie hier und jetzt. Ich gebe ihm meine mühsam hervorgeholte Kälte klar zu verstehen, er soll wissen, mit wem er es zu tun hat. Ja doch, die mit dem Transportunternehmen von Innenraum zu Innenraum. Immerhin verfüge ich in meiner neuen Wohnung sogar über ein eigenes Zimmer, und diese plötzliche Erkenntnis erheitert mich. Was gehen mich so ein kleiner König und seine kümmerlichen Gefühlsäußerungen an. Diese Vertraulichkeit, die ich mir wünsche: dumm, instinktgesteuert. Das kann ich besser. Wofür hat man Kinder; die sind mit Duncan unterwegs, angeln, nehme ich an. Transportunternehmen? Ich bin sicher, dass ich was anderes sagen wollte, doch ich habe jetzt keine Zeit, mich mit der Frage nach dem richtigen Wort aufzuhalten, das steht hier nicht zur Diskussion. Hier geht es um mehr, und das rinnt einfach so aus mir heraus, während Alexander immer noch hofft, dass Duncan es gut mit ihm meinen könnte. Alexander ist zu gutmütig.
Mein Bett ist breit. Das Wasser bin ich, was bleibt mir übrig. Die erste kleine Klamm ist nicht mehr als eine schmal eingeschnittene Furche in einer unauffälligen Landschaft – aber ich habe sie selbst eingeschnitten, gestärkt durch einige Bachläufe, die ich unterwegs eingesammelt habe.
(Hat Duncan nicht gesagt, er wolle uns, dem jungen Paar, Zeit lassen? Und ausgerechnet jetzt muss Alexander sich um den Ölpreis kümmern? Der Ölpreis: ein Leitmotiv. Aus seinem Anstieg lässt sich immer mediales Kleingeld schlagen, und selbst auf dem Gipfel der Deutungshoheit, auf dem Duncan unangefochten thront, ist er sich dafür nicht zu schade. Nein, im Ernst, dem unbedeutendsten freien Mitarbeiter muss das Ölpreisthema längst in Fleisch und Blut übergegangen sein, dennoch liebt Duncan das Ausgeben solcher Marschbefehle, ich weiß das. Alexander wird für Größeres eingesetzt, für mehrere Fischzüge auf einmal: wie man lesen kann, ist er beispielsweise mit der finanzmarkttechnischen Schwächung des Hauptsponsors eines Senders beschäftigt, dessen Aktivitäten Duncan schon lange stören, den Namen habe ich gehört, die Geschichte dahinter schnell recherchiert: Aktienaufkauf, Hetzcampagnen, Gegenwetten, je nach Wetterlage, was man halt so zur Verfügung hat, jetzt kommt es nur noch auf die Zustimmung eines Ministers an, und den bearbeitet Alexander, im übrigen muss berücksichtigt werden, dass das vorzeitige Durchsickern von Gerüchten über die Sache die Aktiennotierung in die Höhe getrieben hat. Da müssen Gegengerüchte gestreut werden, Angebotsrücknahmegerüchte, die außerdem den Minister einem gewissen Druck aussetzen; die Zeit arbeitet für den Stresstestresistenteren.)
Doch ich beschäftige mich auch mit anderen Dingen. Dass Jeremias nicht mehr da ist, habe ich sofort bemerkt. Pensioniert, schon vor zwei Jahren, sagt sein Nachfolger, und das ist nicht Peter, ein neuer Portier steht hinter dem Empfangspult. Ich kann nicht anders, als mir zu denken, dass Peter sich auch andernorts nicht eben beliebt gemacht haben dürfte. Er steht immer noch an der Drehtür, und ich grüße ihn besonders herzlich. Immer bin ich in mir so allein. Ich vermute, dass andere es anders haben in sich, vollständiger und weniger ausgesetzt. Aber woher soll ich das wissen, mir fehlt der Untergrund. Weit und breit kein festes Land, nur Wasser und ein Nacken, an dem ich mich festhalten will. Und wie rutschig der sein kann, hat die Geschichte gezeigt, zumindest der Teil, an den ich mich erinnern kann. Und im Grund war der Ausgang (das Stranden) von Anfang an klar, hätte mir klar sein müssen, wenn mich nicht die Euphorie davongetragen hätte, über den schaukelnden Rücken, die sanfte Haut und das warme Wasser. Wie war das jetzt mit China?
Manchmal glaube ich mir selbst nicht mehr. Nur den vermehrten Ausschüttungsbegleitgeräuschen dieses dubiosen Bindungshormons zuzuhören, ist nicht wirklich ergiebig. Da kann ich mir
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