Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
der Sache, beansprucht den Posten, ohne zu fragen, und der neue Sicherheitsbeauftragte, dessen Namen ich noch immer nicht kenne, hält ihm den Rücken frei.
Den Todeskampf eines unsachgemäß Gehängten im milchigen Morgenlicht musste ich zum Glück nicht ansehen, das hätte ich nicht ertragen. Die Volksseele ist kein geübter Henker, doch sie kennt ihre Traditionen. Unnötige Qualen müssen nicht sein und werden bei geordneten sauberen Hinrichtungen vermieden. Doch auch einer solchen möchte ich nicht zusehen müssen. Dann noch lieber selbst hingerichtet werden; nein, natürlich nicht. Nicht einmal denken will ich so etwas. Für das Morden muss man sich den richtigen Bundesstaat aussuchen.
Ich bin zu sehr mit dem Nötigen beschäftigt, als dass ich mich groß aufhalten könnte mit den Ereignissen dort unten. Nur das noch: wie gut eingefädelt, zeitgerecht ausgestrahlt, Alexander hat seinen Teil getan, leitet umgehend die Rettung der chinesischen Sache ein, denke ich, und wenn der Flashmob seinen Hobbys nachgeht, so geht mich das nichts an, ein tragischer Zwischenfall (wobei Alexander äußerste Sorgfalt darauf verwenden wird, den Opfern des unerklärlichen Gewaltausbruchs ein ehrendes Andenken zukommen zu lassen: unabhängig von der Frage ihrer Schuld, wird er sagen, ein solches Ende habe niemand verdient. Da werden wir aber schon offiziell erfahren haben, wer die beiden waren, deren Leichen nur kurz hängen, ehe die Einsatzkräfte eingreifen. Alexander übernimmt den öffentlichen Teil, daran ist nicht zu rütteln: die Stelle ist vakant.)
Dennoch muss ich mir vorstellen, dass Peters Körper länger zuckt als der des Haushofmeisters, sein Hemd hängt aus der Hose, und man kann die Muskelstränge sehen, ausgedünnt im Tod. Die anwesenden Beamten – erfahren, doch der Übermacht der Menge nicht gewachsen – konnten den Schutz der Tatverdächtigen vor dem Volkszorn nicht gewährleisten. Die Tatverdächtigen: dabei versichert Alexander zuvor in der Wohnung noch, dass er vollstes Vertrauen zu den langjährigen Angestellten habe, Peter starrt, sein Starren gilt mir, nur mir, er sagt nichts. Dahinter ballt sich was zusammen, das erkenne ich, konzentriert die Kräfte, bevor es zuschlägt und mir seinen Ekel vor die Füße spuckt, ein für allemal; es kommt nicht mehr dazu, Peter wird aus meinem Gesichtsfeld entfernt. Er sieht mich an bis zuletzt.
(Unter anderen Umständen, in einem anderen Leben, da bin ich mir sicher, hätten wir einander mögen können. Doch. Wenn er nur nicht von Anfang an so eine Wand hochgezogen hätte. Das hängt mit unserer Haut zusammen, das weiß ich wohl. Und wenn die Mauer nicht in der letzten Zeit zu bröckeln begonnen hätte, ausgerechnet! Im Grunde verstand er das. Seine Verantwortung. Auch, dass man manchmal Opfer bringen muss für die größere Sache, auf die kommt es an. Die muss ich im Auge behalten.)
Ich nehme wirklich an, man hätte Peters Bauch sehen können, und der wäre wirklich so schön gewesen, wie ich es immer vermutet habe. Die Volksseele ist zufrieden und verzieht sich, so schnell sie kann, denn in rascher Folge rauschen weitere Einsatzfahrzeuge auf den Vorplatz; ein paar Langsamere lassen sich unter dem japanisch kargen Baum wohl noch einsammeln. Was das für Bilder gibt.
Alexander war klug genug, bei Stuart nicht noch einmal nachzuhaken, mit Telekommunikationsdaten muss man sparsam umgehen.
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Der Damm ist also gebrochen, und ich liege im breitesten Bett (Kingsize, und das ist nicht so großzügig kalkuliert, wie der Name glauben machen möchte), im Bett, das das wildwerdende Wasser sich so gräbt und mit jedem unterspülten Ufer ausweitet. Ein sich selbst verstärkendes System, scheint mir, und das macht mich glücklich, denn es zeigt, dass wir recht gehabt haben, von Anfang an: es beweist die Notwendigkeit des Dammrisses, unumgänglich angesichts der Ausgangskonfiguration, wenn der Fluss sein eigenes Bett ans Licht holt. Ein klarer Schnitt schafft Abhilfe. Ob er das Aufblitzen der Klinge noch gesehen hat? Das kleinteilige Spiel der Wellen, von der Decke reizvoll reflektiert und scharf gespiegelt?
All die Details wunderbar ausgetüftelt, Zahn in Zahn gegriffen wie bestellt, und manches sogar noch besser: Duncans Witwe und Lieblingsjournalistin Ann taucht wieder auf und arbeitet sich an den möglichen politischen Hintergründen der Tat ab, und siehe da, es zeigt sich, dass Peter zwei entfernte Verwandte hat, die nach den Unruhen als Plünderer verurteilt wurden. So
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