Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
Deutungshoheit, sage ich, bleibt uns, das ist das Wichtigste. Manche sagen, sagt Ann (Duncan wäre stolz auf sie).
In Wirklichkeit kommt die Haushälterin auf mich zu, bleibt stehen, fragt, ob sie etwas für mich tun könne. Was soll ich da sagen, ihre Ambitionslosigkeit macht mich zornig; ich gebe meine Wünsche für das Abendessen bekannt. Irgendwer kommt zu Besuch, glaube ich. Ein bisschen Blutgeschmack hätte ich gerne, sage ich, und sie geht weiter ihrer Wege, ich frage mich, welchen Status sie haben könnte.
Manche gingen sogar soweit zu denken, sagt Ann, er sei verantwortlich für Duncans Tod. Eine leichte Rötung flattert fiebrig über Alexanders Haut. Doch man sieht sie nur, wenn man ihn gut kennt. Sie solle sich da nicht aufregen, sagt er betont ruhig, er verstünde ihren begreiflichen Schmerz. Duncan sei unersetzbar. Wir alle trauern, sagt er. Jetzt ist er es, der nach ihrem Arm greifen will, doch sie entzieht sich, und man erkennt, dass er über ihre Schulter hinweg nach Regisseuren, Sendeverantwortlichen Ausschau hält, nach Ansprechpartnern, Vorgesetzten, Stellvertretern, an denen er seine Wut festmachen kann, er fischt nach seinem Mikrophon, als wolle er es abpflücken, und das ist definitiv das, was er nicht machen darf, wo denkt er hin, was tut er da: eine Kommunikationsverweigerung vor laufender Kamera ist ein Schuldeingeständnis, kann nie was anderes sein. Das darf er nicht tun, und ich beschwöre ihn mit geschlossenen Augen, während ich genau weiß, dass er das Kabel von sich reißt und aus dem Bild steigt. Nein, er bleibt vernünftig und setzt sich wieder, doch eindeutig zu sehen bleibt sein Ausreißversuch, und er wird wieder und wieder gezeigt werden, eine Ausreißendlosschleife, garniert mit hilfesuchendem Blick, wenn auch nicht auf diesem Sender. In zwei Minuten ist ein artig zusammengestutztes Filmchen online, da gibt es keinen Zweifel. Die Sicherheit in seiner Wohnung sei schließlich sein Verantwortungsbereich, sagt Ann. Seiner und der seiner Frau, legt sie nach; da müsse er jetzt etwas richtigstellen, erstens habe Duncan schließlich sein eigenes Wachpersonal gehabt, und das sei nun der wirklich zu untersuchende Teil der Angelegenheit. Und vor allem: das sei ja gerade das Tragische, dass laut dem Polizeichef alle Hinweise dafür sprächen, dass es genau das Wachpersonal gewesen sei, dem man nicht trauen hätte dürfen. Sie danke ihm sehr für seine Version der Dinge, sagt Ann, die Version eines unmittelbar Betroffenen, eines Insiders, den, wie gesagt, manche in direkten Zusammenhang mit den Verbrechen brächten, doch Alexander insistiert, die Züge wieder voll prallen Lebens vor lauter Wut, denn Kampf, da kann man sagen, was man will, ist seine Stärke: Bei der Auswahl des Wachpersonals habe das Management keine glückliche Hand bewiesen. Drogen- und Gewaltdelikte in Peters Umfeld, das sei ja nach Angaben der Polizei nichts Neues, (Polizei, immer schön Stuart hineinziehen, doch das wird dir nichts helfen, du hast dich gerade selbst hineingeritten, sage ich zum Fernseher; das Schüren von Racheambitionen bei Peters Schwester hast du augenscheinlich aufgegeben und nicht mehr bedacht, mein Lieber, oder schon vergessen?).
Ich kann durch die Hintertür gehen zum Versorgungsstrang, zur Versorgungsstiege neben dem Versorgungslift und den richtigen Schlüssel nehmen (Beatrices), und mit diesem Schlüssel, Schlüssel, kein Chip, manche Dinge funktionieren auf konventionelle Weise, es ist zum Heulen, die Tür des letzten unnummerierten Stockwerks öffnen und auf das Dach hinaustreten und mich verblasen lassen. Man hört das Singen in den Lüftungsschlitzen unter den Fensterfronten, auf deren Abdeckung ich mich gerne setze: Windzinnen.
Ob sie gewusst habe, dass der zweite, Archibald H., einschlägig bekannt gewesen sei in der Gewaltpornoszene? Ann zögert, nun ist es an ihr, sich ein wenig nach Hilfe hinter den Kulissen umzusehen. Allerabscheulichste Kinderpornos? (Da muss ich lächeln: das ist tatsächlich kühn, jetzt erkenne ich dich wieder.) Das Material ist offenbar nicht vorbereitet, und Ann scheint fast so etwas wie ein Schwächefenster zu zeigen, Kontrollverlusttendenzen, die Alexander dringend nutzen müsste, doch sie fängt sich, sie lächelt, das sei nun leider wirklich nichts, was man im Rahmen dieser familienfreundlichen Show abhandeln wolle, er lächelt, was bleibt ihm übrig. Sie danke ihm für den Besuch und freue sich auf eine Fortsetzung des Gesprächs, und
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